Über jeden Verdacht erhaben
trinken.
Nachdem die Leichen fotografiert worden waren, wurden sie ins Gerichtsmedizinische Institut gebracht, um dort identifiziert und obduziert zu werden. Unterdessen hatten die Kriminaltechniker der Polizei damit begonnen, am Fundort Schnee zu schippen und ihn zu schmelzen, um etwas zu finden, was die Todesfälle erklären konnte. Den beiden Männer waren nämlich keinerlei Spuren äußerlicher Gewaltanwendung anzumerken, so daß sie bei oberflächlicher Betrachtung auch erfroren sein konnten, nachdem sie vielleicht einen selbstgebrannten Fusel geteilt hatten, der keinen einwandfreien Alkohol enthielt. Wäre da nicht das Wetter der letzten vierundzwanzig Stunden gewesen. Unter den beiden Leichen fand man große Flecken geschmolzenen Schnees, den die beiden mit ihrer entweichenden Körperwärme zum Schmelzen gebracht hatten. Es sah also aus, als wären sie im Lauf der letzten vierundzwanzig Stunden gestorben.
Die rasche Abkühlung der Leichen, zu der es offenbar gekommen war, machte es den Gerichtsmedizinern zunächst schwer, sich eine Auffassung vom Zeitpunkt des Todeseintritts zu machen. Es ließ sich nämlich nur schwer ausmachen, was Totenstarre war und was gewöhnliche Tiefkühlung.
Die Identifizierung bot hingegen keine Schwierigkeiten, da beide Ausweispapiere verschiedener Art bei sich hatten.
Der eine Mann hieß Memo Baksi, war einunddreißig Jahre alt und geschieden. Er hatte zwei Kinder. Bei der Polizei von Umeå war er recht gut bekannt, weil er ein Trainingsstudio betrieb, in dem er jugendliche Einwanderer in verschiedenen Kampfsportarten ausbildete. Er hatte von der Gemeinde für sein Geschäft finanzielle Beiträge erhalten, nämlich mit Hinweis darauf, daß er durch den Kampfsport junge Leute, die in die Kriminalität abzugleiten drohten, dazu bringen könne, sich auf bessere Dinge als Verbrechen zu konzentrieren. Seine Tätigkeit war bei der Polizei von Umeå schon zum Gegenstand einiger hitziger Diskussionen geworden. Einige waren nämlich der Ansicht, daß gerade fernöstliche Kampfkunst wohl der denkbar ungeeignetste Zeitvertreib für kleine Nachwuchsgangster sei. Mit der Gewalt junger Leute habe man in der Stadt auch so schon alle Hände voll zu tun. Einige andere meinten, die Hauptsache sei, daß man arbeitslose Jugendliche aus Einwandererfamilien nach Möglichkeit von Straße und Kneipen fernhalte. Beide Seiten suchten in der Statistik der letzten zwei Jahre Beweise für die Auffassung zu finden, daß es angemessen oder unangemessen sei, daß die Gemeinde Baksis Nahkampfschule finanzierte.
Wie auch immer: Der Nahkampfspezialist Memo Baksi war jetzt in einer Schneewehe tot aufgefunden worden, ohne jedes äußere Zeichen von Gewaltanwendung.
Der zweite Mann, den man gefunden hatte, war Abdel Rahman Fayad, eine an der Universität in Umeå recht bekannte Person, allgemein Abbe genannt.
Er war palästinensischer Herkunft und bei seinem Tod achtundzwanzig Jahre alt. Er hatte an der Universität gearbeitet, nämlich als Assistent am Physikalischen Institut. Zugleich hatte er an seiner Dissertation gearbeitet. Er war mit einer Schwedin verheiratet gewesen, hatte drei minderjährige Kinder und hatte seit fünf Jahren die schwedische Staatsbürgerschaft besessen. In den Akten der Polizei fehlte jede Angabe über ihn. Der Mann hatte sich offenbar nie einer Gesetzesübertretung schuldig gemacht und, soweit bekannt, auch keinen Kampfsport gepflegt. Seine Frau hatte jedoch in der Nacht unruhig bei der Polizei angerufen und ihn als vermißt gemeldet, obwohl er erst einige Stunden weg gewesen war.
Es gab für die Polizei also eine ganze Menge Fragen, denen sie nachgehen konnte, doch man beschloß zu warten, bis die gerichtsmedizinische Untersuchung der beiden Toten beendet war. Erst dann würde feststehen, ob man in zwei Mordfällen ermittelte oder nicht.
Es war Mord. Oder, wie die Schlußfolgerung medizinisch etwas förmlicher lautete, es handelte sich um »Tod durch Fremdeinwirkung«. Das stand schon bald zweifelsfrei fest.
Wie es dazu gekommen war, ließ sich hingegen nicht so leicht sagen.
Als die Gerichtsmediziner mit einiger Gewalt die gekrümmten und zum Teil steifgefrorenen Extremitäten der beiden Toten geradegebogen und ihnen die Kleider ausgezogen hatten, so daß sie mit der eigentlichen Obduktionsarbeit beginnen konnten, war es schon Abend geworden. Wenn die Polizei nicht so gedrängt hätte, hätte man mit dem Beginn der Obduktion vielleicht bis zum nächsten Arbeitstag gewartet.
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