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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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worden, vermutlich nachdem die Brüche der Halswirbelsäule entstanden waren. Zunächst konnten die Pathologen nur Vermutungen anstellen. Sie vermuteten, daß mit irgendeinem stumpfen Gegenstand gegen den Nacken geschlagen worden war. Denkbar war etwa ein Baseballschläger. Der bewußtlose und in medizinischem Sinn schon sterbende Mann war danach einer neuen Attacke ausgesetzt worden. Irgendwie hatte man seinen Kopf seitlich verdreht. Und da die Halswirbelsäule schon an zwei Stellen gebrochen war, hatte das Skelett nicht widerstehen können. So war der Tod gekommen: Der oder die Täter hatten dem Opfer buchstäblich den Hals umgedreht.
    Soweit Anders Eriksson sich erinnerte, würde auch das ein Novum in der schwedischen Kriminalgeschichte sein; die Redensart, »jemandem den Hals umzudrehen«, wie es im Volksmund heißt, war bei Vorlesungen von Pathologen ein gängiger Scherz. In der Praxis hatte er so etwas für unmöglich gehalten. Doch hier schien es geschehen zu sein.
    Als Anders Eriksson den Chef des Ermittlungsdezernats bei der Polizei von Umeå anrief, hatte er folglich, wie er sagte, sehr interessante Neuigkeiten. Es liege kurz gesagt in beiden Fällen Mord vor. Die Gewaltanwendung sei präzise und mit Absicht erfolgt, und in technischer Hinsicht handele es sich um medizinisch erstaunlich fähige Täter, die hier fast artistische Leistungen zustande gebracht hätten.
    Der Kriminalkommissar am anderen Ende brummte mißbilligend, der Ausdruck artistisch gefalle ihm nicht, fragte jedoch dann, ob die Möglichkeit bestehe, daß die beiden Opfer eine interne Auseinandersetzung gehabt hätten. Ob es ihnen möglich gewesen sei, sich gegenseitig umzubringen.
    Das konnte Eriksson schnell und einfach ausschließen. Derjenige der beiden, der mit einem Messer ermordet worden war, war in dem Augenblick, in dem das Messer in den Körper eingedrungen sei, im größeren Teil des Körpers gelähmt gewesen. Er sei danach gestorben, ohne sich bewegen zu können, und infolge des Blutdruckabfalls sei er vermutlich schnell bewußtlos geworden.
    Das zweite Opfer sei mit einem einzigen Einsatz äußerer Gewalt bewußtlos geschlagen worden und habe sich folglich nicht bewegen können, als die Halswirbelsäule anschließend auseinandergedreht worden sei. Folglich müsse sich mindestens eine weitere Person am Tatort befunden haben. Selbst wenn einer der beiden Ermordeten den anderen umgebracht habe, sei er auf eine Weise gestorben, die unmöglich Selbstmord sein könne.
    Als das Ermittlungsdezernat bei der Polizei von Umeå den definitiven Bescheid erhalten hatte, wurde zusätzliches Personal eingesetzt. Als erste Maßnahme wurden Überstundenlisten erstellt. Danach kam es in einem der größeren Konferenzzimmer im Haus zu einer kurzen Einsatzbesprechung. Es wurde zusammengefaßt, was bisher bekannt war, bevor die praktischen Aufgaben unter den Beamten verteilt wurden.
    Vorläufig war also folgendes bekannt: Zwei Männer in ungefähr dem gleichen Alter, beide ausländischer Herkunft, waren am selben Ort und zu ungefähr dem gleichen Zeitpunkt ermordet worden. Davon mußte man bis auf weiteres ausgehen. Der Zeitpunkt mußte nach 1.00 Uhr liegen, da aufgrund einer Vermißtenmeldung um 3.00 Uhr eins der Opfer sein Zuhause verlassen hatte, Abdel Rahman Fayad. Und da man die beiden kurz vor 10.00 Uhr gefunden hatte, lag der logische Todeszeitpunkt zwischen 1.00 und 6.00 Uhr. Schließlich mußte man bedenken, daß beide schneebedeckt gewesen waren, und der Schneefall hatte gegen sieben Uhr morgens aufgehört. Ein noch wahrscheinlicherer Todeszeitpunkt lag zwischen 1.00 und 3.00 Uhr, da man wußte, wann Fayad von zu Hause weggegangen war. Außerdem war das Wetter nicht für einen längeren Aufenthalt im Freien geeignet gewesen.
    Es gab keine bekannte Verbindung zwischen den beiden Opfern. Sie hatten sich in völlig verschiedenen Kreisen bewegt. Der Täter (oder die Täter) war mit einer handwerklichen Geschicklichkeit vorgegangen, die bei den Gerichtsmedizinern offenbar Begeisterung ausgelöst hatte.
    Dies war bislang alles, was mit Sicherheit feststand.
    Jetzt ging es folglich darum, die Verbindung zwischen den beiden Opfern zu finden. Da gab es nur eine Möglichkeit: Man mußte unter ihren Freunden und Bekannten suchen. Fayads Frau sollte als erste verhört werden, da sie vielleicht etwas darüber wußte, was ihr Mann vorgehabt hatte. Die Tatsache, daß sie schon um 3.00 Uhr bei der Polizei angerufen hatte, deutete an, daß sie schon böse

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