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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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mehrere Stunden vor der festgesetzten Zeit, zogen sie ihn ins Vertrauen. Das war unter Konkurrenten keineswegs selbstverständlich, doch vermutlich hatten sie das totale Fehlen von Hochnäsigkeit bei ihm zu schätzen gewußt, wie es sonst bei den Stockholmer Reportern der großen Medien recht typisch war.
    Sie hatten gehört, daß keine besonderen Presseplätze zur Verfügung standen. Die Journalisten sollten sich wie alle anderen anstellen, und wenn die Halle voll war, würde niemand mehr hineinkommen, ob er nun Vertreter von Rapport oder CNN war. Soweit die Kollegen von einem der Verwaltungsangestellten erfahren hatten, war das eine Entscheidung Hamiltons. Er sollte gesagt haben, er komme nach Umeå, um Studenten zu treffen, die ihn eingeladen hätten, und keine Journalisten, mit denen er sich in Stockholm jederzeit treffen könne.
    Erik Ponti erfaßte intuitiv, daß dies wahr sein konnte, wie schockierend es sich auch in den Ohren des journalistischen Establishments anhörte. Er eilte zurück ins Hotel Plaza, in dem schon zahlreiche Kollegen aus nah und fern die Bar belagerten, eilte auf sein Zimmer, ohne in die Bar zu gehen, kramte möglichst warme Kleidungsstücke hervor, warf sich mit einem geübten Schwung die Schultertasche mit Bändern und Tonbandgerät über die Schulter, ging an der Bar vorbei hinaus und fuhr mit dem Taxi in die Stadt.
    Es war dunkel draußen, und es herrschte dichtes Schneetreiben. Als er das Universitätsgelände erreichte, brauchte er nicht lange zu suchen, um zu wissen, wo er sich anstellen mußte. Es hatte sich schon eine lange Schlange gebildet. Soviel er sehen konnte, befanden sich außer den Leuten des Lokalradios keine anderen Journalisten dort. Die Lokalreporter hatten sich ja schon lange vor ihm auf den Weg gemacht und befanden sich jetzt auch viel weiter vorn in der Schlange als er selbst. Nachdem er überschlägig berechnet hatte, wie viele Menschen dort standen, und sich erkundigt hatte, wie viele in dem Saal Platz hatten, kam er zu dem Schluß, daß auch er noch hineinkommen würde. So gab es keinen Grund, sich vorzudrängen oder darauf zu bestehen, zu seinen Kollegen vorzurücken. In Schweden füllen die Menschen einen Saal nicht von vorn nach hinten, also nicht von der ersten Bank an, sondern es ist genau umgekehrt. Erik Ponti würde also als Belohnung für die Stunden, in denen er hier draußen frieren mußte, einen guten Platz mit guter Akustik erhalten.
    Punkt halb acht erschien ein Wagen mit Sicherheitspolizisten, die vorn beim Einlaß das Kommando übernahmen. Dann begann eine sehr langwierige Prozedur, weil die Beamten Metalldetektoren in den Händen hatten und jeden Besucher einzeln unter die Lupe nahmen.
    Als Erik Ponti an der Reihe war, wurde er beiseite genommen. Er mußte sein Tonbandgerät vorzeigen, das sorgfältig untersucht wurde, ebenso seinen Presseausweis. Er glaubte schon, sie würden ihm ohne Begründung den Zutritt verweigern. Sie unterhielten sich murmelnd über Funk. Jeder hatte einen kleinen Kopfhörer mit Empfänger sowie ein am Handgelenk befestigtes Mikrophon. Wenn sie sprachen, sah es aus, als sprächen sie in ihre Uhrarmbänder.
    Doch dann kam offenbar von irgendwoher der Bescheid, das Echo des Tages sei in Ordnung. Und so schlüpfte Erik Ponti hinein. Auf dem Weg durch das Nadelöhr drehte er sich noch einmal um und stellte fest, daß es am Ende der Menschenschlange zu einem Streit gekommen war, da eine Reihe von Leuten mit Fernsehkameras sich vorzudrängen versuchten. Im Gebäude markierte ein von Absperrgittern begrenzter Korridor, wie man weitergehen mußte. Dort standen auch einige uniformierte Polizeibeamte. Somit bestand nicht die geringste Möglichkeit, von dem einzigen Weg abzuweichen, der in die sogenannte Rotunde führte.
    Als er eintrat, fand er seine Vermutung bestätigt. Die Leute hatten damit begonnen, den Saal von hinten zu füllen, und saßen in dicken Menschentrauben an den Wänden und ganz hinten auf dem Fußboden des Saals. Folglich war es vorn an der Bühne noch leer. Genau dorthin stellte sich Erik Ponti und machte sein Tonbandgerät bereit. Daraufhin trat sofort ein Sicherheitsbeamter zu ihm und prüfte nochmals das Tonbandgerät und den Presseausweis.
    Um acht Uhr war der Saal schon hoffnungslos überfüllt. Erik Ponti vermutete, daß jetzt da draußen irgendwo die Türen geschlossen wurden. Er hörte dumpfen Lärm, als fände dort eine Schlägerei statt. Keine einzige Fernsehkamera war in den Saal hineingekommen, so

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