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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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einem Wettschießen nicht wissen. Meine Vermutung ist, daß wir soeben Return of Batman II erlebt haben.«
    »War es nicht auch oben in Umeå so? Diese Geschichte, die Ponti höchst bedauerlicherweise verpaßt hat, obwohl er sich am Ort befand?« fuhr der neue Vorgesetzte eifrig fort.
    Alle Anwesenden sahen Erik Ponti an, als würde er antworten, doch er wies mit einer ausholenden Handbewegung zu seinem Kollegen vom Gerichtsressort, daß dieser fortfahren solle.
    »Ja, aber die Polizei da oben ist ziemlich verschwiegen. Sie rückt nicht damit heraus, wie diese Morde durchgeführt worden sind«, sagte der zweite Erik nachdenklich. »Da scheinen sowohl ein Messer als auch eine Art Karate im Spiel gewesen zu sein. Sie haben dem Gerichtsmediziner jetzt einen Maulkorb verpaßt, doch er schaffte es noch, ›Artist im Morden‹ oder etwas ähnliches zu sagen, jedenfalls etwas, was diese Gerichts-Quacksalber so absondern, wenn ein Mikrophon in der Nähe ist. Der Mann war jedenfalls begeistert.«
    »Hier gibt es unleugbar gewisse Zusammenhänge«, stellte der neue Vorgesetzte übertrieben nachdenklich fest. Plötzlich sah er wieder aus wie frisch aus dem Managerseminar. »Wir haben drei Moslems, die wahrhaft fachmännisch hingerichtet worden sind. Das sind zwei Verbindungen. Und wenn nun dieser Fernsehsender, dessen Namen ich nicht nennen will, recht haben sollte? Ich meine, selbst ein blindes Huhn findet manchmal ein Korn? Ja. Stellt euch vor, der Iran hat damit begonnen, moslemische Überläufer in Schweden zu ermorden? Ich fände es höchst peinlich, wenn wir diesen Zug verpaßten, nur weil wir nicht recherchiert haben. Was meint ihr?«
    Erik Ponti sank demonstrativ und stöhnend zusammen, ein Trick, um schnell das Wort an sich zu reißen.
    »Eins der beiden Opfer in Umeå war offenbar Kurde, wahrscheinlich ein Christ. Der Iraner kann Schiite gewesen sein, und der Palästinenser war dem Namen nach zu urteilen Sunnite«, sagte er schnell. »Falls der Iran sich vornehmen wollte, alle religiösen Überläufer oder Regimekritiker der Welt hinzurichten, hätten die Mullahs reichlich zu tun. Allein in Schweden gibt es dreißigtausend iranische Regimekritiker – mindestens.«
    »Es ist ja ausgezeichnet, daß du in diesen Dingen so gut Bescheid weißt«, sagte der neue Chef und machte ein Gesicht, als hätte er soeben Seite einhundertsechsundzwanzig im Handbuch für moderne Vorgesetzte aufgeschlagen, das Kapitel über positives Denken. »Wenn wir Angaben über die Opfer einholen, kannst du der Gerichtsredaktion vielleicht eine hilfreiche Hand leihen. Vielleicht gibt es auch internationale Vergleiche?«
    »Nein, das kann ich nicht«, entgegnete Erik Ponti sauer. »Erstens muß ich nach Grosnyi. Ich glaube, daß es in Tschetschenien bald Krieg geben wird. Zweitens gibt es keine religiöse oder kulturelle Verbindung zwischen einem vermutlich christlichen Kurden und einem vermutlich sunnitischen Palästinenser und einem vermutlich schiitischen Iraner. Sie haben nur zwei Dinge gemeinsam: Alle drei sind Kanaken, und sie sind geschickt ermordet worden.«
    Der neue Chef machte ein Gesicht, als wollte er plötzlich Streit anfangen. Doch ebenso plötzlich sah man ihm an, daß er es sich überlegt hatte. Vielleicht weil die Tschetschenien-Reise schon vor einer Woche beschlossen worden war, vielleicht auch, weil Erik Ponti unleugbar bestimmte Reportagereisen in seinem Arbeitsvertrag zugestanden wurden, vielleicht auch, weil ein Streit über die Religionen des Nahen Ostens für ihn von vornherein verloren war.
    »Na schön«, sagte er. »Aber dann verwenden wir doch ein wenig Mühe darauf, eine Verbindung zwischen diesen Ereignissen zu finden, und berichten zusammenhängend über sie. Können wir so vorgehen?«
    Er hatte den letzten Satz noch gar nicht beendet, als die Anwesenden schon aufstanden und der Inlandschef sein Hörgerät wieder einschaltete. Alle mit Ausnahme des neuen Chefs verließen schnell das Zimmer.
    Sie hatten es eilig, wieder an die Arbeit zu gehen. Nach einstündigem Gefasel war nichts weiter beschlossen worden, als einen Beitrag zu senden, der schon zweimal gesendet worden war.
    Als Carl Rosenbad erreichte, ging er anscheinend völlig unberührt, ohne sich auch nur umzusehen, quer über den Platz, auf dem er direkt vor dem Eingang niedergeschossen worden war.
    Seine beiden Sicherheitswachen schlossen dicht zu ihm auf, und als sie die ersten Türen hinter sich hatten, eilte einer voraus und hielt sich schräg vor Carl, als

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