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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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ein so starkes Engagement erleben?
    Außerdem war es vermutlich notwendig, daß die Verbindungen zwischen Polizei und dem militärischen Nachrichtendienst effektiver gestaltet wurden. Dies nicht zuletzt im Hinblick auf bestimmte offenkundige Zukunftsperspektiven, etwa Gangster aus Estland. Carl würde das perfekte Bindeglied zwischen den beiden Organisationen sein. Allmächtiger Chef der einen, und bei der anderen wurde ihm unerschütterliches Vertrauen entgegengebracht.
    Folglich blieb nur noch, bestimmte Forderungen zu formulieren. Am wichtigsten war es, die Regierung dazu zu bringen, deutlich kenntlich zu machen, daß der Säpo-Chef zwar stellvertretender Vorsitzender der Reichspolizeiführung war, aber dennoch wahrlich nicht dem »Vorsitzenden« der Reichspolizeiführung unterstellt. Dem Mann, den man von Diskussionssofas beim Fernsehen und anderen eher komischen Veranstaltungen kannte. Und Carl, bemerkte der Alte, müsse in diesem Vertragspunkt eine sehr deutliche Abgrenzung verlangen.
    Als der Alte seine Vorstellungen so weit vorgetragen hatte, ging Carl auf, daß sein Gesprächspartner die Entscheidung schon formuliert hatte. Er fügte sich sofort, so wie er es fast immer getan hatte, wenn der Alte eine Entscheidung getroffen hatte.
    Er trug seine von dem Alten diktierten Bedingungen Lars Kjellsson vor und erhielt sofort eine Antwort, als wäre es für den inneren Machtzirkel der Regierung keineswegs überraschend, daß sich angesichts der Tatsache, wer im Lande Reichspolizeichef war, Komplikationen ergeben konnten.
    »Um diesen Komiker brauchst du dich nicht zu kümmern«, hatte Lars Kjellsson geantwortet, bevor Carl überhaupt zu Ende gesprochen hatte. »Wir haben schon daran gedacht. Erstens regeln wir das Verhältnis mit einer Verordnung. Diese besagt, daß der Generaldirektor, ja, das bist natürlich du, allein für die operative Tätigkeit der Säpo zuständig ist. Das bedeutet, daß du der Regierung direkt unterstellt bist, niemandem sonst. Du berichtest mir oder Ingvar.«
    »Und zweitens?« fragte Carl lahm.
    »Zweitens wirst du in der nächsten Woche im Zusammenhang mit der Ernennung zum Vizeadmiral befördert werden. Das sind also zwei Beförderungsstufen statt einer.«
    »Aha?« sagte Carl und machte ein fragendes Gesicht. »Als Marineoffizier müßte ich mich wohl sehr froh und geschmeichelt fühlen, aber steckt irgendeine praktische Absicht dahinter?«
    »Und ob! Eine sehr handfeste sogar«, erwiderte Lars Kjellsson mit einem schnell unterdrückten Lächeln. »Normalerweise entspricht Generaldirektor dem Rang eines Konteradmirals, wie übrigens auch der Reichspolizeichef. Wir machen also einen kleinen Unterschied. Du wirst der Vorgesetzte des Reichspolizeichefs, zumindest wenn es um die Tischordnung bei einer Einladung des Königs geht.«
    Lars Kjellsson machte ein Gesicht, als hätte er sich nach diesem arroganten Scherz am liebsten die Zunge abgebissen. Carl war im Moment kein Mann, mit dem man scherzte.
    Doch dieser war nur aufgestanden und hatte ohne ein Wort die Hand ausgestreckt, um sein Einverständnis zu erklären. Dann sagte er nur abgemacht und ging.
    Das Kaminfeuer ging langsam aus, doch Carl war weder betrunken noch müde und erkannte, daß er sich jetzt nicht hinlegen konnte. Er würde nicht einschlafen, sondern nur daliegen und aus dem Fenster starren und spüren, wie die Einsamkeit im Körper aufstieg wie Kälte.
    Er ging zum Kamin, legte ein paar neue Birkenscheite nach und betätigte eine Zeitlang den Blasebalg, bis das Feuer wieder aufflammte. Dann ging er unentschlossen zum Barschrank und musterte die von Tessie aufgebauten Whiskyflaschen. Er hatte keine Lust, seinen Kummer und seine Schlaflosigkeit mit Alkohol zu bekämpfen. Er überlegte kurz, ob er in den Weinkeller gehen und etwas holen sollte, was wenigstens gut schmeckte, schlug sich den Gedanken dann aber aus dem Kopf, da Wein in seinen Augen nur in Gesellschaft getrunken werden konnte, zumindest guter Wein, und niemals allein.
    Doch in diesem Punkt würde er in seinem neuen Leben wohl umlernen müssen. Ein Ende der Einsamkeit konnte er sich nicht einmal vorstellen. Er goß sich einen neuen Whisky ein und ging zu dem CD-Ständer hinüber. Er suchte nach etwas, was ihn durch sein bisheriges Leben begleitet hatte und bei jeder Gemütsverfassung brauchbar war. Er fand die Goldberg-Variationen mit Glenn Gould und setzte sich erneut in den großen Ledersessel, der leise ächzte, als die ersten sanften Töne im Raum zu hören

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