Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
wenn ein Kollege plötzlich ins Zimmer trat und über etwas sprechen wollte, was nicht das geringste mit dem zu tun hatte, woran man gerade arbeitete. Schließlich konnte derlei einem selbst passieren, etwa einen Tag, eine Woche oder einen Monat später.
    Kriminalinspektor Roger Jansson arbeitete seit fast neun Jahren in der Abteilung und war aus diesem Grund ein Kollege, der sich ohne Murren stören ließ. Überdies war er mit einem in mehrerer Hinsicht tristen Langzeitjob beschäftigt, dem der Identifizierung von Toten, die sich an Bord der Estonia befunden hatten. Diese Arbeit war ihm zugefallen, als Rune Jansson plötzlich zu irgendeiner Dienstreise hatte aufbrechen müssen. Sie waren trotz des gemeinsamen Nachnamens nicht miteinander verwandt.
    Es war folglich nur eine angenehme kleine Unterbrechung der Arbeit, als Willy und Rune ihn baten, zu Willy ins Zimmer zu kommen, um eine Weile mit ihnen laut zu denken.
    Die älteren Kollegen sahen düster und nachdenklich aus, als er eintrat. Er wußte nicht mehr, als daß sie zuletzt in Linköping gewesen waren, um einige Bindeglieder zwischen Morden an Ausländern zu finden, die nicht aufgeklärt worden waren.
    »Du bist ja unser einziger Jäger hier in der Abteilung«, begrüßte ihn Willy Svensén etwas müde und zeigte auf einen der Besucherstühle. »Ich selbst ziehe das Angeln vor, aber wie auch immer: Was weißt du von einem Kaliber .308 Winchester?«
    »Eine ganze Menge«, erwiderte Roger Jansson amüsiert. Er war fast unsicher, ob die beiden ihn vielleicht auf den Arm nehmen wollten. »Ich verwende es nämlich selbst.«
    »Um so besser«, sagte Willy Svensén. »Dann sag uns doch spontan deine Meinung zu der Wahl genau dieses Kalibers, wenn es um einen Mord geht.«
    »Nun ja«, sagte Roger Jansson zögernd. Es fiel ihm schwer zu erkennen, worin das Problem liegen sollte. »Es ist wahrscheinlich, obwohl ich es nicht genau weiß, in Schweden eins der verbreitetsten Kaliber, was Morde mit Schußwaffen angeht.«
    »Wie kommt das denn?« fragte Rune Jansson. Seine Zweifel standen ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Weil es einer der häufigsten Munitionstypen für die Elchjagd ist. Folglich gibt es eine sehr große Zahl von Stutzern gerade dieses Kalibers, und folglich holt Vater diese Munition raus, wenn er auf die Elchjagd geht. Wo liegt das Problem?«
    »Ist es ein besonders gut gewähltes Kaliber, wenn man jemanden auf mehr als dreihundert Meter Entfernung durch den Kopf schießen will?« fragte Willy Svensén.
    »Kein Kaliber ist gut gewählt, wenn man jemanden auf die Entfernung durch den Kopf schießen will«, entgegnete Roger Jansson verblüfft. »Die Entfernung ist viel zu groß. Soll das in Linköping so passiert sein?«
    »Ja«, sagte Willy Svensén. »Wir haben inzwischen die Stelle gefunden, von der der Schuß abgegeben wurde, da sind wir ganz sicher. Der Schuß durchschlug ein Fenster und landete im Hinterkopf des Opfers, als der Mann in seiner Küche stand und etwas zu essen machte. Im dritten Stock eines Mietshauses. Was sagst du dazu?«
    »Da muß was falsch sein«, sagte Roger Jansson zögernd.
    »Wenn ich mal davon ausgehe, daß ihr mich nicht auf den Arm nehmt, müßt ihr die falsche Abschußstelle gefunden haben.«
    »O nein«, entgegnete Rune Jansson, »sieh mal hier!«
    Er faltete einige Blätter aus einem Aktenordner auseinander und zeigte auf verschiedene Skizzen. Zwischen Ziel und Abschußstelle gab es eine tiefe Senke im Boden, so daß der Schütze schon aus dem Grund in großer Entfernung vom Ziel gestanden haben mußte, weil er sonst schräg nach oben hätte schießen müssen. Und außerdem gab es eine gerade Linie vom Einschußloch im Fenster bis zu dem Punkt, an dem die Kugel in der Küchenwand gelandet war, nachdem sie den Kopf des Opfers passiert hatte. Der Kopf wies ein Einschußloch im Hinterkopf und ein Austrittsloch mitten in der Stirn auf. Die Kugel war völlig intakt. Man hatte ein Lasergerät benutzt, um die Abschußstelle zu markieren, und alles paßte gut zueinander. Genau an dieser Stelle stand ein Baum, und der war die einzige natürliche Stütze, die ein Schütze in der Nähe hätte finden können. In der gesamten Umgebung gab es nur zugeschneite grasbewachsene Hänge. Rein technisch war bei den Berechnungen kein Fehler möglich.
    Roger Jansson wurde sehr nachdenklich. Er akzeptierte sofort diesen Teil der Ermittlung, denn es gab kaum eine Alternative dazu. Gerade die Tatsache, daß an der Abschußstelle ein Baum stand, an

Weitere Kostenlose Bücher