Über jeden Verdacht erhaben
Jansson, der immer noch nicht zufrieden zu sein schien.
»Größere Pulverladung, höhere Geschwindigkeit, damit größere Aufprallenergie und etwas andere Mathematik, weil die Flugbahn der Kugel flacher wird und das Geschoß eine größere Reichweite hat«, erwiderte Roger Jansson und glaubte, daß damit sein Kollege von Kalibern endlich genug hatte.
Nach einigen Sekunden zeigte sich jedoch, daß es durchaus nicht so war.
»Können sie im Kriminaltechnischen Labor, Ståling oder sonst jemand, der Kugel ansehen, ob sie so eine stärkere militärische Variante ist? Und gibt es so was auf dem offenen Markt?« fragte er.
»Das kann ich nicht beantworten, aber es ist natürlich eine interessante Frage«, sagte Roger Jansson und runzelte die Stirn.
»Verflucht interessant sogar. Stell dir doch mal vor, es wäre eine militärische Waffe, dann brauchte man nicht fünfunddreißigtausend Elchstutzer zu prüfen. Damit wäre viel Zeit zu gewinnen…«
Der Waffenexperte Ståling vom Staatlichen Kriminaltechnischen Labor in Linköping hatte das Geschoß schon zur Untersuchung erhalten. Folglich würde sich zu gegebener Zeit herausstellen, daß die gedankliche Mühe der letzten Stunde eher therapeutische Bedeutung gehabt hatte, als in der Sache weiterzuführen. Es war aber immerhin etwas, die Frage gestellt haben zu können, bevor die Antwort kam.
»Gibt es noch etwas, was ihr wissen wollt?« fragte Roger Jansson mit einer ironisch entschuldigenden Handbewegung. Die bedeutete, daß alles Nachdenken nutzlos gewesen war.
»Wie geht es übrigens bei den Ermittlungen voran? Gibt es jemanden, den ihr verhören könnt?« Bei der letzten Frage rieb er sich die Hände, als freute er sich schon auf eine Vernehmung, was sicher auch der Fall war, da gerade Vernehmungen seine Spezialität waren.
»Es wird wahrscheinlich wie gewohnt weitergehen, das heißt, im Augenblick verstehen wir nicht sehr viel«, sagte Willy Svensén. »Wir haben drei Opfer, zwei in Umeå und eins in Linköping. Alle drei sind von einer reisenden Zirkusgruppe mit besonderen Fähigkeiten in der Kunst des Mordens getötet worden. Es gibt diesen Schützen, und dann haben wir noch einen Karate-Experten oder so etwas und schließlich einen Chirurgen mit orthopädischer Spezialausbildung.«
»Hört sich an, als wären das interessante Vernehmungsobjekte, vorausgesetzt, wir können das Sprachproblem lösen«, sagte Roger Jansson.
»Das wird wohl eine Weile dauern, aber man kann ja nie wissen«, brummte Willy Svensén. »Wir haben drei Opfer, vielleicht sogar vier, und was sie sachlich gemeinsam haben, ist, daß sie alle orientalischer Herkunft sind, wenn auch nicht aus demselben Land. Alle sind gepflegte Typen ohne offenkundigen oder auch nur bekannten kriminellen Hintergrund. Alle sind in den Dreißigern, haben einen Beruf, leben in geordneten Verhältnissen und haben kleine Kinder.«
»Ganz anders also als das, was man erwarten könnte«, stellte Roger Jansson fest. »Und wen darf ich verhören?«
»Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen«, sagte Willy Svensén. »Möglicherweise haben die Opfer eines gemeinsam, obwohl das vielleicht hauptsächlich daran liegt, daß sie in geordneten Verhältnissen leben. Wir haben festgestellt, daß sich alle politisch oder kulturell betätigt haben. Ja, wir haben eine Person gefunden, bei der es sich durchaus lohnen würde, sie weiter zu verhören, aber wenn du entschuldigst, glaube ich, daß wir lieber die Kollegen in Linköping in aller Stille empfehlen sollten, statt dich auf sie zu hetzen. Der Mann, der erschossen worden ist, heißt… laß mich mal sehen, ja, er heißt Ali Akbar Kermani und ist Iraner. Interessanterweise ist er kein Gegner des jetzigen Regimes. Ich weiß allerdings nicht, weshalb man ihn dann hier ins Land gelassen hat. Na ja, seine Frau ist Schwedin. Und sie ist manchmal verschleiert in der Öffentlichkeit aufgetreten, wie es die religiöse Sitte dieser Leute zu verlangen scheint. Manchmal aber auch nicht. Er war unter anderem in einer Art Linköping-Komitee für eine Moschee aktiv, etwas in der Richtung. Linköping ist eine Universitätsstadt, in der wohl an die fünfhundert Iraner leben dürften. Die meisten davon sind ganz gewöhnliche Akademiker, denen Moschee und Tschadors völlig schnuppe sind. Die Stellung dieses Mannes in der iranischen Gruppe war vielleicht nicht ganz unumstritten, falls du verstehst, was ich meine.«
»Wenn das so ist, müßte seine Frau einiges darüber wissen«,
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