Über jeden Verdacht erhaben
bemerkte Roger Jansson. »Bleibt nur ein moderner, freidenkender iranischer Akademiker, der das gegenwärtige Regime im Iran haßt. Und außerdem mit .308 Winchester auf gut dreihundert Meter einen perfekten Volltreffer landen kann?«
»Das ist vielleicht gar nicht so unmöglich«, sagte Rune Jansson, den die Ironie seines jüngeren Kollegen ein wenig sauer machte. »Im Iran haben sie doch wohl auch eine Armee. Die haben viele Jahre Krieg geführt, und da muß es doch auch ein paar Scharfschützen geben, die hinterher zu friedlichen Akademikern geworden sind.«
»Nun ja«, wandte Roger Jansson vorsichtig ein. »Eins können wir wohl ausschließen: daß ein solcher Iraner von der Polizei in Linköping einen Waffenschein erhalten hat. Das läßt sich jedenfalls leicht nachprüfen. Und ein so funktionstüchtiges Gewehr zu beschaffen, um das es sich hier handeln muß, dürfte auf dem Schwarzen Markt nicht ganz leicht sein…«
»Die Sache mit dem Waffenschein müßte sich einfach und recht schnell klären lassen«, bemerkte Willy Svensén und machte sich gleichzeitig eine Notiz. »Vielleicht haben wir da Glück.«
»Dieser Kerl, von dem ihr nicht wißt, ob er ermordet worden ist, was hat es damit auf sich?« fragte Roger Jansson, um das inzwischen schon etwas abgedroschene Thema Waffen und Kaliber hinter sich lassen zu können. Als Jäger war er gerade gegen solche normalerweise allzu langen Diskussionen allergisch.
»Tja«, sagte Willy Svensén und atmete kräftig aus. »Diesmal ist es ein Türke, ein Herr… hier steht es, ein Herr Newzat Özen. Am Morgen tot in seinem Bett aufgefunden worden. Seine Frau hat ihn gefunden. Sie hatten getrennte Schlafzimmer. An Schlössern und so weiter keinerlei äußere Einwirkung und keine Spuren eines Kampfes.«
»Dann ist es offenbar kein Mord. Oder seine Frau hat ihn erstickt«, schlug Roger Jansson vor, wenn auch nicht, um recht zu bekommen, sondern um einen Gedanken zu probieren.
»Nein, so einfach liegen die Dinge nicht«, entgegnete Willy Svensén. »Der Gerichtsmediziner hat geprüft, ob ein Erstikkungstod vorliegt, doch das ist nicht der Fall. Der Mann war kerngesund, zweiunddreißig Jahre alt. Komisch, daß sie alle etwa im selben Alter sind. Tod ohne Todesursache.«
»War auch er kulturell oder politisch aktiv? Hat auch er in geordneten Verhältnissen gelebt, keine Kriminalität und so weiter?« fragte Roger Jansson weiter.
»Ja, das könnte man sagen«, bemerkte Willy Svensén. »Er hat Laute gespielt und ist in der Gegend von Västerås sowohl bei türkischen Festen als auch bei anderen Anlässen aufgetreten, etwa bei Poesieabenden. Nun ja, hier ist noch nicht sehr gründlich recherchiert worden.«
»Verdammt noch mal!« sagte Rune Jansson plötzlich. Die beiden anderen fuhren zusammen, erstens, weil Rune Jansson sonst nicht zu fluchen pflegte, zum andern infolge der Heftigkeit seiner Reaktion.
Sie blickten ihn fragend an, und Willy Svensén wedelte nur leicht mit der Hand, um die Ursache des Geistesblitzes zu erfahren.
»Ich kenne tatsächlich so einen Fall«, erklärte Rune Jansson.
»Ihr wißt doch, diese Sache in Haparanda vor ein paar Jahren: ein auf unerklärliche Weise gestorbener Lastwagenfahrer, bei dem die erste Diagnose Herzversagen lautete, das heißt, kein Verbrechen oder zumindest keine Fremdeinwirkung. Ja, und dann kam dieser Anders Eriksson, der Gerichtsmediziner, der sich in hymnischen Lobreden über unseren Mörder in Umeå erging. Der hat das Rätsel schließlich gelöst. Todesursache war ein höchst seltenes Gift. Wir sollten diese Gerichtsmediziner vielleicht zusammenspannen?«
»Gut«, sagte Willy Svensén. »Das machen wir. Worum handelte es sich damals in Haparanda? Curare, nicht wahr?«
»Ja, in unseren Protokollen steht allerdings etwas anderes, etwas Lateinisches. Aber stell dir vor, es wäre hier etwas Ähnliches?«
»Wir müssen es jedenfalls prüfen«, sagte Willy Svensén und machte sich eine Weile Notizen. »Danach werden wir natürlich sehr viel klüger sein. Die reisende Zirkustruppe in Sachen Mord hätte dann eine weitere Variante gebracht, noch einen Trick auf hohem Niveau. Außerdem scheinen sie Kultur und Politik nicht zu mögen.«
»Oder den Islam?« schlug Roger Jansson vor.
»Oder den Islam, genau«, bestätigte Willy Svensén. »Wenn ich nur daran denke, daß die Mißbilligung des Islam eine große Bandbreite hat: Sie fängt beim fundamentalistischen iranischen Schiiten an und führt über den Türken mit
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