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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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routinehafter Religiosität zum Palästinenser mit einer seit langem vergessenen Religion bis hin zu einem christlichen Kurden.«
    »Damit war’s also auch nichts. Habt ihr auch Religion studiert?« fragte Roger Jansson verblüfft.
    »Na ja«, sagte Willy Svensén, »wir haben uns ein bißchen was angelesen. Und etwas sagt mir, daß wir damit vielleicht noch weitermachen müssen. Vor allem du, wenn es in Zukunft mit bestimmten Leuten interessante Verhöre geben soll.«

5
    Es hatte auf Martinique Momente gegeben, in denen das Leben in kurzen, schwachen Impulsen zurückzukehren schien. Er hatte über einen vorsichtigen Scherz Åkes gelacht, hatte mit ihrem Kind an der Hand ein wenig spazierengehen können. Die kleine Hand war voll ahnungslosen Vertrauens gewesen. Weihnachten hatte er auf beste denkbare Weise hinter sich gebracht.
    Er hatte sie gebeten, nach Stenhamra zu kommen und dort die Feiertage zu verbringen. Sie hatten zunächst große Schwierigkeiten gehabt, als sie ihm erklären wollten, daß sie das für keine besonders gute Idee hielten. Zwar versicherten sie ihm ständig, er könne immer damit rechnen, daß sie für ihn da seien, und wenn sie etwas für ihn tun könnten, solle er nicht zögern, sie darum zu bitten. Es war eine lange Reihe solcher wie selbstverständlich geäußerten Versicherungen, die ihn dennoch quälten, wenn er sie um etwas bat.
    Wegen Stenhamra hatten sie jedoch recht gehabt. Es hätte entsetzlich werden können, gerade dort Weihnachten zu feiern , in dem leeren Haus. Hingegen hatten sie versprochen, bei seinem Vorhaben mitzumachen, etwas mehr gesellschaftlichen Umgang zu pflegen. Bei weniger feierlichen Anlässen würden sie gern kommen.
    Anna nahm es besser auf als Åke. Ihr fiel es nicht schwer, Carl bei der Hand zu nehmen oder ihm die Wange zu streicheln, sie verspürte keinen Zwang, sich unter Anstrengungen nichts anmerken zu lassen. Für Åke war es schlimmer; er schwitzte fast bei seinen Versuchen, das Dasein zu normalisieren und mehr oder weniger interessante Dinge über den neuen Job als Chef der Küstenjägerschule zu erzählen. Er konnte auch nicht über den unmöglichen Versuch sprechen, das Befreiungsunternehmen Blue Bird zu wiederholen: In Kolumbien hatten Guerilleros einige Schweden gekidnappt (das Ziel war nicht geortet, und außerdem würde kein Nachbarland bei der Logistik helfen). Es konnte sogar passieren, daß Åke plötzlich von gemeinsamen früheren Erinnerungen zu erzählen begann, so wie normale Männer vom Wehrdienst erzählen. Er wußte mit anderen Worten von einem Moment zum nächsten nicht, auf welchem Bein er stehen sollte.
    Carl hatte sie weitgehend in Ruhe gelassen. Er hatte lange Strandspaziergänge gemacht und jeden Tag mehrere Stunden damit zugebracht, nach Langusten und Schneckenmuscheln zu tauchen, die er dann mit zunehmender Geschicklichkeit grillte. Er hatte eine Ladung Wein von zu Hause mitgebracht, vor allem weißen Burgunder und Chardonnay aus Kalifornien, und der hatte ihm sehr gutgetan. Bei Sonnenuntergang auf einem Sandstrand zu sitzen und über einem Holzkohlenfeuer gegrillte Schalentiere zu essen, aufs Meer hinauszublicken, die beschlagenen Gläser zu betrachten, an denen Wassertropfen herunterperlten, und zu spüren, wie es auf dem Rücken ein wenig brannte und wärmte nach all der Sonne, die man abbekommen hatte, wenn man den halben Tag schnorchelte, all das war gute Medizin für ihn gewesen, gute menschliche Erholung.
    Theoretisch waren sie natürlich ein gewisses Risiko eingegangen, als sie mit ihm reisten, obwohl er beispielsweise sorgfältig darauf geachtet hatte, daß ihre Schlafzimmer weit voneinander entfernt lagen; eine Handgranate oder eine Brandbombe, die ihm durchs Fenster geworfen wurde, würde sie nicht verletzen können.
    Er und Åke waren sich jedoch in der Erkenntnis einig gewesen, daß eine Woche für Vorbereitungen nicht einmal für sie genügen würde, um einen Anschlag auf jemanden zu planen und durchzuführen, der plötzlich auf einer Insel in Westindien auftauchte. Selbst wenn die Sizilianer herausbekommen hätten, wo er sich befand, würden sie erst dann etwas unternehmen können, wenn er wieder zu Hause in seinem schwedischen Bunker saß. Das war logisch gedacht und für Åke wahrscheinlich leichter zu akzeptieren als für Anna. Sie hatte sich jedoch tapfer und solidarisch bereit erklärt, die Reise mitzumachen, und nie Furcht gezeigt, obwohl Carl überzeugt war, daß sie ständig einen unangenehmen diffusen

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