Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
Schrecken mit sich herumtrug. Dennoch hatte er diese Reise dem vollkommen sicheren Stenhamra vorgezogen. Die beiden mußten lange nachgedacht und diskutiert haben, bevor sie seine Einladung ablehnten und ihren Gegenvorschlag vorbrachten.
    Jetzt war es jedenfalls vorbei. Es war Januar, und er hatte immer noch eine kräftige Sonnenbräune fast am ganzen Körper. Nur die frischesten seiner Narben leuchteten hellrosa. Er würde dem Rat der beiden folgen und an den Wochenenden Leute zu sich nach Stenhamra einladen, auch wenn es nicht ganz einfach war, gesellschaftlichen Umgang mit dem Job in Einklang zu bringen, den er seit kurzem hatte.
    Wie auch immer: Es war vorbei, und das nächste Weihnachtsfest lag in weiter Ferne. Bevor das Jahr zu Ende ging, würde er vielleicht sein letztes wirklich wichtiges Projekt in seinem Leben zu Ende gebracht haben.
    Es war kurz vor sieben Uhr. Er war seit etwa einer Stunde aufgewesen und hatte letzte Hand an die grüne Mappe angelegt, die jetzt auf seinem sonst völlig leeren dunklen Schreibtisch lag. Er öffnete die oberste Schreibtischschublade, holte einen Stundenplan hervor, den er am Vorabend geschrieben hatte, und ging rasch das Programm der kommenden Stunden durch. Es war Freitag, der Tag, an dem er Konferenzen einberief und sich Vortrag halten ließ. Für acht Uhr hatte er eine große Konferenz mit den Dezernatsleitern angesetzt, anschließend eine Besprechung mit dem Sonderdezernat, um einen Vorschlag zu einem operativen Fahndungseinsatz zu billigen oder abzulehnen, der sich gegen eine relativ hochgestellte Person im Außenministerium richten sollte. Nach dem Lunch würde er einer der neu eingerichteten Abteilungen einen Besuch abstatten; dort beschäftigte man sich mit der Analyse von Informationen aus militärischen Quellen und benutzte diese Angaben, um für die Sicherheitspolizei konkrete operative Aufgaben zu erarbeiten; in gewisser Hinsicht ging es dabei um Åke Stålhandskes Beritt, nämlich die Frage, wie man die Eliteeinheiten des Militärs von Skinheads und ähnlichen Gruppierungen freihalten konnte. Das war eine der neuen Initiativen, die in der Kanzlei des Ministerpräsidenten mit einiger Begeisterung begrüßt worden waren.
    Sie würden wohl gleich hereinkommen, standen sicher schon da draußen und sahen nervös auf die Uhr. Er entschloß sich, die theatralischen Vorreden auf ein Minimum zu beschränken, klappte die erste Seite in seiner bereitliegenden Mappe auf und ging schnell noch einmal durch, was dort stand. Dann klappte er die Aktenmappe zu und erhob sich. In genau diesem Augenblick, auf die Sekunde genau, klopfte es an der Tür. Er verließ seinen Platz am Schreibtisch und ging auf die andere Seite des Raums, um den Dezernatschef und dessen junge Kriminalinspektorin zu begrüßen. Er gab erst ihr die Hand und dann ihrem Chef. Er zeigte auf das Sofa und die Besucherstühle und bat beide, sich zu setzen. Er bemerkte, wie die beiden einen erleichterten Blick wechselten.
    »Anna Karin, du weißt natürlich schon, daß ich einige Zeit damit zugebracht hatte, deine Arbeit durchzusehen, und daß ich deine Vorschläge gelesen habe«, sagte er.
    Sie nickte stumm, doch sie brachte es nicht über sich, etwas zu antworten. Sie hatte ihre Kleidung sehr sorgfältig gewählt und roch schwach nach frischgewaschenem Haar und Parfüm.
    »Du hast deinen Dienst als Kriminalinspektorin hier vor zwei Jahren angetreten«, fuhr er fort, während er langsam zu seinem Schreibtisch zurückging. »Das wenige, das mir tadelnswert erscheint, betrifft wohl in erster Linie deine Neigung, von Zeit zu Zeit Kostenüberlegungen in deine Arbeit einzubeziehen, die mir gelegentlich ein wenig überehrgeizig erscheint, um es freundlich auszudrücken. Laß ruhig andere diesen Teil übernehmen. Dein Job besteht darin, die Analyse der Ergebnisse der Dolmetscher zu verbessern, und nicht etwa, dich um unser Geld zu kümmern. Verstanden?«
    »Ja, natürlich«, erwiderte sie. Sie hatte einen kleinen Kloß im Hals und räusperte sich verlegen. »Unter dem früheren Generaldirektor wurde die Ökonomie jedoch ziemlich stark betont«, fuhr sie unerschrocken fort. Vielleicht fühlte sie sich dadurch ermuntert, daß ihr schon klargeworden war, daß der Chef sie nicht zu einer dieser schon jetzt legendären Sieben-Uhr-Konferenzen gerufen hatte, um sie zu entlassen. Hier stand vielmehr etwas Gegenteiliges bevor.
    »Ja«, sagte Carl und lehnte sich leicht gegen seinen Schreibtisch, während er sie betrachtete. Er

Weitere Kostenlose Bücher