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Ueber Meereshoehe

Ueber Meereshoehe

Titel: Ueber Meereshoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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jetzt vor der hell getünchten Kirche auf dem Platz, im Grunde nur eine Straßenverbreiterung zwischen der Handvoll Häuser hinter der Mole. Die Ecken durch den Kalkputz abgerundet, besaßen sie alle nur ein Stock werk und waren von dem undefinierbaren Alter jener Gebäude, die immer schon auf die gleiche Weise errichtet wurden.
    Nitti versuchte, die Wagentür zu öffnen, aber es war, als halte eine unsichtbare Hand sie mit übermenschlicher Kraft von außen zu. Sie mussten auf der anderen, dem Wind abgewandten Seite aussteigen. Die Luft war zu etwas Festem geworden, gegen das man sich lehnen musste, um nicht umgerissen zu werden. Mühsam, tief gebückt, legten sie die wenigen Meter zu einer Tür zurück, die überreich mit kardinalroten Blättern geschmückt war – eine Bougainvillea-Pergola, die jetzt der Orkan zerzauste.
    Hinter der Tür lag der einzige Laden des Ortes. Zucker, Nudeln, Kartoffeln, Konserven, Zwiebeln, Zigaretten, sauer Eingelegtes waren in dem kleinen Raum in Säcken, Körben, Schachteln oder auf überquellenden Regalbrettern gelagert. Hinter der Theke stand ein Mann. Schmal und von dunkler Gesichtsfarbe, wirkte sein Körper wie aus Draht gemacht.
    Â»Hast du Telefonmünzen da, Traina?«, fragte Nitti, als er den Laden betrat.
    Auch der Mann grüßte nicht. Er warf einen kurzen Blick auf Luisa und Paolo, wie jemand, der bei sich zu Hause ist und nur selten fremde Gesichter sieht: mit einer Mischung aus Neugier und Hausherrenstolz.
    Â»Wer sind die beiden?«
    Â»Besucher. Sie haben die Fähre verpasst.«
    Â»Aha.«
    Mit einem Ruck öffnete er die Schublade unter der Kasse und holte eine Handvoll Telefonmünzen hervor.
    Â»Wie viele?«, fragte er, an Nitti gewandt. Die beiden Fremden, die ihm schweigend zusahen, beachtete er nicht mehr.
    Der Vollzugsbeamte drehte sich zu Luisa um.
    Â»Wie viele brauchen Sie?«
    Sie trat einen kleinen Schritt vor, wie eine Schülerin, die abgefragt werden soll.
    Â»Zwei oder drei …«
    Â»Sicher, dass die reichen?«
    Â»Ja.«
    Â»Gib ihr vier«, sagte Nitti an den Mann gewandt. »Man kann nie wissen.«
    Der Mann zählte die Münzen, indem er sie sich in die geöffnete Handfläche fallen ließ.
    Â»Eins, zwei, drei, vier, fünf. Es ist nicht gut, wenn die Verbindung abbricht, bevor man sich verabschiedet hat.«
    Traina reichte die Münzen Nitti, der sie wiederum an Luisa weitergab. Alle schienen einverstanden, dass der Vollzugsbeamte bei der Transaktion den Vermittler spielte.
    Der zeigte jetzt für Luisa auf einen winzigen Raum auf der gegenüberliegenden Seite mit einem Telefon an der Wand.
    Â»Dort drüben.«
    Luisa bewegte sich in die Richtung, die der Finger ihr gewiesen hatte, und schloss die Tür der Kabine hinter sich. Paolo, Nitti und Traina standen beieinander und schwiegen. Draußen pfiff der Wind. Von jenseits des Türchens hörte man deutlich, wie die Wählscheibe gedreht wurde, dann die plötzlich lebhafte Stimme von Luisa, die mit ihren Kindern redete.
    Traina wandte Paolo den Blick zu.
    Â»Und Sie? Wie viele Münzen bekommen Sie?«
    Sofort schaltete Nitti sich ein.
    Â»Warum fragst du? Hat er dich darum gebeten?«
    Â»Aber du hast mir doch gesagt …«
    Â»Ich hab dir gar nichts gesagt. Er will keine. Sie wollen doch keine, oder?«
    Die Frage war an Paolo gerichtet, der, die Lider halb geschlossen, den Kopf schüttelte.
    Â»Nein. Danke.«
    Â»Sie wollen wirklich nicht zu Hause anrufen?«, fragte Traina ungläubig, indem er seine dichten Augen brauen hob.
    Â»Nein.«
    Â»Aber dort wird man sich Sorgen machen …« Tadel und Befremden lagen in der Stimme des Mannes.
    Â»Lass ihn in Frieden!« Nitti war lauter geworden. »Das weiß er selbst am besten.«
    Â»Wie ihr meint«, brummte Traina und schob mit de monstrativer Gleichgültigkeit die Schublade mit den Münzen zurück.
    Luisas Stimme war jetzt nicht mehr zu hören. Ein Geräusch fallender Münzen im Apparat, dann kam sie aus der Kabine und trat wieder zu ihnen.
    Sie öffnete die Handfläche und zeigte sie Nitti. Zwei Telefonmünzen lagen darin.
    Â»Ihr Kollege hat mir zu viele gegeben.«
    Nitti und Traina blickten sich an, und ihre Gesichter verzogen sich jeweils zu einer verächtlichen Miene.
    Â»Kollege?«, sagte Traina. Sein offener Mund enthüllte auf beiden Seiten Lücken anstelle der

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