Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueber Meereshoehe

Ueber Meereshoehe

Titel: Ueber Meereshoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
Vom Netzwerk:
zu Nitti, der hinter ihr die Haustür schloss. Durchs Fenster sahen sie den Ziegenbock, der nun, nach einem kurzen Augenblick der Enttäuschung, beschloss, es mit seinen stinkenden Annäherungsversuchen bei den Kotflügeln des Mannschaftswagens zu versuchen.
    Eine Gipsplatte versperrte den Zugang zu der Treppe, die zu den oberen Stockwerken hätte hinaufführen müssen. Begehbar war nur das Erdgeschoss, und das auch nicht vollständig, sondern lediglich der lange Flur, der sich an die Haustür anschloss, sowie eines der Zimmer, die davon abgingen. Bei den anderen waren die Türöffnungen über Kreuz mit Brettern vernagelt, die Menschen den Einlass verwehrten, nicht aber dem Staub und einem eigenartig herben Ge ruch – dem Ziegenbock Martino schien es wohl schon mehr als einmal gelungen zu sein, in den Glaspalast einzudringen.
    In dem einzigen fertiggestellten Raum standen in einer Ecke zusammengedrängt einige Möbel: drei Stühle, eine metallene Pritsche mit einer neuen, noch in ihrer Plastikhülle steckenden Matratze, ein Tisch, der mehr von einem Pult im Klassenraum einer Grundschule als von einem Büroschreibtisch hatte, sowie ein Friseurstuhl, der mit bläulichem, rissigem Leder bezogen war.
    Â»Wir haben nur ein Bett geliefert bekommen«, sagte Nitti. »Tut mir leid.«
    Â»Halb so wild«, antwortete Paolo, indem er auf den Friseurstuhl zeigt. »Ich kann dort schlafen.«
    Am Ende des Ganges waren zwei Bäder. Im Gegensatz zum übrigen Haus fehlte hier nicht das kleinste Detail. Die Fliesen waren makellos rein, und Nitti demonstrierte den Gästen, dass die moderne Wasserspülung in beiden Kabinen funktionierte. Auch den Hahn über einem Waschbecken drehte er auf und sah zu, wie das rötlich erdige Wasser, das zu fließen begann, in wenigen Sekunden klar und sauber wurde.
    Â»Es soll kein Trinkwasser sein. Dabei ist es sehr gut«, erklärte Nitti mit ungewolltem Stolz in der Stimme, der Paolo nicht entging. »Es kommt direkt aus der Quelle am Berg.«
    Zurück im Korridor, bewegte sich Nitti auf den Ausgang zu.
    Â»Ich fahre jetzt meiner Frau Bescheid sagen. Die wird sich schon Gedanken machen, weil ich noch nicht zu Hause bin.«
    Einen Moment lang musterte er die beiden so streng wie ein Lehrer, der seine Klasse eine Weile sich selbst überlassen muss.
    Â»Wenn der Direktor dahinterkommt, dass ich Sie alleine gelassen habe … Na ja, einschließen werde ich Sie nicht, aber die Tür dort bleibt zu, und Sie gehen nicht hinaus. Verstanden?«
    Paolo und Luisa nickten feierlich, wie Schüler eben, die versprechen, brav zu sein. So standen sie da, mitten im Gang, während Nitti hinaustrat und die Haustür hinter sich schloss. Doch kurz darauf ging diese noch einmal auf, und der Wind nahm das Haus wieder in Besitz, hob Luisas Rock an, wirbelte den Staub in den leeren Zimmern auf, pfiff durch die Ritzen der Gipsplatten. Der Vollzugsbeamte Nitti steckte den Kopf zum Flur hinein.
    Â»Ich verlasse mich auf Sie. Machen Sie mir keinen Ärger«, sagte er.
    Schweigend blickte er sie lange an, als frage er sich, ob er ihnen trauen könne. Ebenso schweigend ließen die beiden diese Musterung über sich ergehen. Endlich zog er die Tür wieder hinter sich zu, und die Luft im Flur kam zur Ruhe. Luisa und Paolo hörten, wie sich der Mannschaftswagen immer weiter entfernte.
    Als nur noch das Heulen des Sturmes geblieben war, überkam beide die Regung, einander anzusehen. Doch sie unterließen es.
    Beide schlugen die Augen nieder und schauten zu Boden.

WORTE

D a haben wir es, dachte Maria Caterina, wieder mal Blut. Dieses Mal fand sie es auf der Jacke, andere Male waren es die Schuhe gewesen, sogar die Mütze. Einmal war er auch mit verzerrten Gesichts zügen und nach Urin stinkend nach Hause gekommen. Wieder ein anderes Mal mit Spuren von Erbrochenem auf dem Leder seiner Uniformstiefel, und sie hatte genau gewusst, dass es nicht von ihm stammte.
    Aber er, kein Wort.
    Die ersten Male hatte sie ihn noch gefragt: Was ist passiert, mein Gott, du hast dich verletzt … Doch Pierfrancesco hatte ihr einen Blick zugeworfen, der sie an Rocco erinnerte, den Hund ihrer Kindheit, einen Tag bevor er starb. Der alte Schäferhund war viele Jahre vor ihr zur Welt gekommen, und wenn Maria Caterina aus der Schule kam, war er immer an ihr hochgesprungen und hatte ihr das Gesicht geleckt. An jenem Tag war er nicht am Tor

Weitere Kostenlose Bücher