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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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in unsere Sachen -
    »Nie wieder«, sage ich und fummele an den Knöpfen meiner Bluse herum, ich fühle mich wie eine Verbrecherin und völlig daneben, voller Igitt und Scham. »Bitte.«
    Er zieht das Bettzeug glatt, schüttelt hastig Kissen auf,
sein Gesicht ist hochrot und wild, das blonde Haar fliegt in alle Richtungen.
    »Tut mir leid, Len -«
    »Davon vermisse ich sie auch nicht weniger. Jetzt nicht mehr.« Das klingt halb resolut, halb wahnsinnig. »Es macht alles schlimmer.«
    Er hört auf, das zu tun, was er tut, nickt. In seinem Gesicht tragen widerstreitende Gefühle einen Ringkampf aus, aber es sieht ganz so aus, als ob das Verletztsein die Oberhand gewinnt. Gott, ich wollte ihm nicht wehtun, aber das hier will ich auch nicht mehr. Ich kann es nicht. Und was ist das überhaupt? Eben gerade mit ihm zusammen zu sein fühlte sich nicht mehr an wie ein sicherer Hafen, das Gefühl war anders geworden, verzweifelter, so, als würden zwei Leute nach Luft ringen.
    »John Lennon«, höre ich von unten. »Bist du zu Hause?«
    Das kann nicht sein, das kann einfach nicht sein. Siebzehn Jahre lang ist mir nichts, rein gar nichts passiert und jetzt kommt alles auf einmal. Joe singt meinen Namen geradezu, es hört sich so freudig erregt an, wahrscheinlich ist er noch immer high von dem Kuss, diesem grandiosen Kuss, der die Sterne vom Himmel in offene Hände fallen lassen konnte, ein Kuss, wie ihn Cathy und Heathcliff auf den Mooren ausgetauscht haben mussten, während die Sonne auf ihre Rücken brannte und die Welt gepeitscht wurde von Wind und Möglichkeiten. Ein Kuss, der so gar nichts mit dem furchterregenden Tornado gemein hat, der vor wenigen Augenblicken noch durch Toby und mich gerast ist.

    Toby sitzt angezogen auf meinem Bett, sein Hemd hängt ihm auf den Schoß. Warum hat er es nicht in die Hose gesteckt, frag ich mich, dann wird mir klar, dass er versucht, eine verdammte Latte zu verstecken-o Gott, wer bin ich bloß? Wie konnte ich das so außer Kontrolle geraten lassen? Und warum macht meine Familie nie was Normales, wie Schlüssel mitnehmen und Haustüren abschließen?
    Ich versichere mich, dass alle Knöpfe geknöpft und Reißverschlüsse hochgezogen sind. Ich streiche mein Haar glatt und wische mir die Lippen ab, bevor ich die Tür von meinem Zimmer aufmache und den Kopf rausstrecke. Da schießt Joe auch schon den Flur entlang. Er lächelt wild und sieht aus wie die Liebe selbst, verpackt in Jeans, schwarzes T-Shirt und eine umgedrehte Baseballkappe.
    »Komm rüber heute Abend. Die fahren alle zu einem Jazzgig in die Stadt.« Er ist außer Atem – ich wette, er ist den ganzen Weg hierher gerannt. »Konnte nicht warten …« Er greift nach meiner Hand, nimmt sie, dann sieht er Toby hinter mir auf dem Bett sitzen. Erst lässt er meine Hand fallen, dann geschieht das Unmögliche: Joe Fontaines Gesicht macht die Schotten dicht.
    »Hey«, sagt er zu Toby, aber seine Stimme klingt gepresst und wachsam.
    »Toby und ich sortieren gerade ein paar von Baileys Sachen«, plärre ich heraus. Ich kann selbst nicht glauben, dass ich Bailey benutze, um Joe anzulügen und zu vertuschen, dass ich mit ihrem Freund herumgemacht habe. Selbst für das unmoralische Mädchen, zu dem ich geworden bin, ist das ein neuer Tiefpunkt. Ich bin Gila, das
Mädchenmonster, Loch Ness Lennie. Kein Kloster würde mich aufnehmen.
    Joe nickt, etwas besänftigt, aber er guckt immer noch voller Argwohn zwischen mir und Toby hin und her. Es ist, als hätte jemand den Dimmer gedrückt und sein ganzes Wesen gedämpft.
    Toby steht auf. »Ich muss nach Hause.« Er geht quer durchs Zimmer, in eingefallener Haltung, mit ungelenkem Gang, unsicher. »Schön, dich wiederzusehen«, murmelt er Joe zu. »Bis bald, Len.«
    Er schlüpft an uns vorbei, traurig wie ein Regentag, und ich fühle mich schrecklich. Mein Herz folgt ihm ein paar Schritte, aber dann zischt es zurück zu Joe, der ohne irgendeine Anhaftung des Todes vor mir steht.
    »Lennie, ist da -«
    Ich kann mir ziemlich gut vorstellen, was Joe fragen will, und mir fällt nur eines ein, um diese Frage davon abzuhalten, aus seinem Mund zu kommen: Ich küsse ihn. Damit will ich sagen, ich küsse ihn so richtig, so wie ich es schon seit diesem ersten Tag im Orchester tun wollte. Nichts ist daran von flüchtiger, süßer Leichtigkeit. Mit denselben Lippen, mit denen ich eben noch jemand anderen geküsst habe, küsse ich seine Frage weg, sein Misstrauen, und nach einer Weile habe ich auch diesen anderen

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