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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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Frankreich landen. Wir könnten es sogar heute noch tun. Ich habe Geld gespart. Ich habe ein Béret. Einen heißen schwarzen BH. Ich weiß, wie man Je t’aime sagt. Ich liebe Kaffee, Schokolade und Baudelaire. Und ich habe Bailey
oft genug beobachtet, um zu wissen, wie man sich einen Schal um den Hals schlingt. Wir könnten es wirklich tun und dieses Gefühl macht mich so schwindelig, dass ich in die Luft gehen könnte. Das sage ich ihm. Er nimmt meine Hand und reckt den anderen Arm in Superman-Manier in die Luft.
    »Siehst du, ich hatte recht«, sagt er mit einem Lächeln, das den Staat Kalifornien mit Strom versorgen könnte.
    »Gott, du bist hinreißend«, platzt es aus mir heraus. Am liebsten würd ich sterben, ich kann nicht glauben, dass ich das laut gesagt habe. Er auch nicht, sein Lächeln ist jetzt so riesig, dass er kein Wort mehr daran vorbeikriegt.
    Wieder bleibt er stehen. Ich denke schon, dass er weiter über Paris reden wird, aber das tut er nicht. Ich schaue zu ihm auf. Sein Gesicht ist so ernst wie gestern Abend im Wald.
    »Lennie«, flüstert er.
    Ich schaue in seine kummerfreien Augen und in meinem Herzen fliegt eine Tür auf.
    Und als wir uns küssen, sehe ich, dass auf der anderen Seite der Tür Himmel ist.

16. Kapitel

    (Gefunden auf der Bank vor Marias Italienischen Delikatessen)
    ICH STEHE AM FENSTER des Ladens, mache eine Million Lasagnen und höre Maria mit einem Kunden nach dem anderen tratschen, als ich dann nach Hause komme, liegt Toby auf meinem Bett. Das Haus ist stockstill, denn Grama ist bei den Dwyers und Big bei der Arbeit. Heute habe ich
zehn Mal Tobys Nummer auf meinem Handy gedrückt, dann aber immer abgebrochen. Ich wollte ihm sagen, dass ich mich nicht mit ihm treffen kann. Nicht nachdem ich es Bailey versprochen hatte. Nicht nachdem ich Joe geküsst hatte. Nicht nach Gramas peinlicher Befragung. Nicht nachdem ich tief in mich hineingehorcht hatte und auf so etwas wie ein Gewissen gestoßen war. Ich wollte ihm sagen, dass wir damit aufhören mussten, dass wir daran denken sollten, wie Bailey sich dabei gefühlt hätte und was für ein schlechtes Gewissen wir dabei hatten. All das hatte ich ihm sagen wollen, aber ich hatte es nicht getan, denn bevor ich die Ruftaste drücken konnte, wurde ich jedes Mal zurückkatapultiert zu diesem Moment vor seinem Auto gestern Abend und von dieser unerklärlichen Rücksichtslosigkeit und diesem Hunger überwältigt, die andauerten, bis das Telefon schließlich wieder zugeklappt und stumm vor mir auf dem Tresen lag.
    »Hi, du.« Seine Stimme ist tief und dunkel und ich löse mich sofort in meine Bestandteile auf.
    Ich bewege mich auf ihn zu, kann nicht anders, der Sog, so unentrinnbar wie die Flut. Schnell steht er auf, geht mir bis zur Mitte des Raumes entgegen. Den Bruchteil einer Sekunde stehen wir voreinander; das ist wie in einen Spiegel zu tauchen. Dann fühle ich, wie sein Mund auf meinem landet, Zähne, Zunge, Lippen und sein ganzer rasender Kummer stoßen auf meinen; unser ganzer rasender Kummer bricht gemeinsam über die Welt herein, die uns das angetan hat. Hektisch knöpfen meine Finger sein Hemd auf, lassen es über seine Schultern nach unten gleiten, dann sind
meine Hände auf seiner Brust, seinem Rücken, seinem Hals und ich denke, er muss mindestens acht Hände haben, denn mit einer zieht er mir die Bluse aus, mit zwei weiteren hält er mein Gesicht, während er es küsst, eine fährt mir durchs Haar, zwei auf meinen Brüsten und ein paar ziehen meine Hüften an seine heran und die letzte macht den Knopf von meinen Jeans auf, zieht den Reißverschluss runter und schon sind wir auf dem Bett und seine Hand drängt sich zwischen meine Schenkel, und da höre ich die Haustür ins Schloss fallen -
    Wir erstarren und unsere Blicke treffen in einem Zusammenprall der Scham mitten in der Luft aufeinander. Sämtliche Trümmerteile explodieren in mir. Ich kann es nicht ertragen. Ich schlage die Hände vors Gesicht, höre mein eigenes Stöhnen. Was mache ich denn? Was hätten wir beinahe getan? Ich möchte die Rückspultaste drücken. Drücken und drücken und drücken. Aber daran kann ich jetzt nicht denken, mein einziger Gedanke ist, nicht mit Toby in diesem Bett erwischt zu werden.
    »Schnell«, sage ich, und das löst uns beide aus der Erstarrung und entpanikt uns.
    Er springt auf, und ich husche über den Boden wie eine durchgedrehte Krabbe, zieh meine Bluse an, werfe Toby sein Hemd zu. Beide fahren wir in aberwitziger Geschwindigkeit

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