Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel
und schaue über Gramas üppigen Garten, atme ihn ein und falle praktisch in Ohnmacht von dem Duft, der mit der kühlen Brise zu mir hinaufweht.
Und da kommt mir die Idee. Die brillante Idee. Ich muss mit Joe reden. Ich muss wenigstens versuchen, es ihm begreiflich zu machen. Aber ich könnte schon ein bisschen Hilfe gebrauchen.
»Sarah«, sag ich, als ich mich aufs Bett fallen lasse. »Die Rosen, die sind doch ein Aphrodisiakum, nicht?«
Sie kapiert es sofort. »Ja, Lennie! Das ist das Ultima-Ratio-Wunder! Fliegende Feigen, ja!«
»Feigen?«
»Mir fällt kein Tier ein, bin zu besoffen.«
Ich habe einen Plan. Sarah habe ich im Tiefschlaf in Baileys Bett liegen lassen und mein hämmernder Wodkaschädel schleicht auf Zehenspitzen mit mir die Treppe hinunter in die herankriechende Morgendämmerung. Der Nebel ist
dicht und traurig, die ganze Welt ein Röntgenbild ihrer selbst. Ich trage meine Waffe in der Hand und bin kurz davor, mit meiner Arbeit zu beginnen. Grama wird mich umbringen, aber das ist der Preis, den ich zahlen muss.
Bei dem Busch, der mir am liebsten von allen ist, fange ich an, die Magic Lanterns , Rosen, die eine Symphonie aus Farben in jeder Blüte vereinen. Ich schnippe die Köpfe von den außergewöhnlichsten Exemplaren ab, die ich finden kann. Dann gehe ich rüber zu den Opening Nights und schnipp, schnipp, schnipp, immer munter voran zu den Perfect Moments , den S weet Surrenders und den Black Magics . Das Herz in meiner Brust läuft Amok vor Angst und Aufregung.
So gehe ich von einem preisgekrönten Busch zum nächsten, von den samtigen roten Lasting Loves zu den rosa Fragant Clouds , den orangefarbenen Marilyn Monroes und stehe am Ende vor der schönsten orangeroten Rose des Planeten, die den passenden Namen The Trumpeter trägt. Da schlage ich so richtig zu, bis mir ein so hinreißendes Bukett Rosen vor den Füßen liegt, dass Gott selbst, sollte er heiraten, sich keinen anderen Strauß aussuchen würde. Ich habe so viele abgeschnitten, dass ich die Stiele nicht in einer Hand halten kann, sondern beide nehmen muss, als ich an der Straße einen Platz suche, an dem ich sie für später aufbewahren kann. Ich lege die Blumen neben eine meiner Lieblingseichen, hier sind sie vom Haus aus absolut nicht zu sehen. Dann mache ich mir Sorgen, dass sie welken könnten, also renne ich zum Haus zurück, lege einen Korb mit nassen Handtüchern aus, gehe damit an die Straße zurück und wickele die Stiele ein.
Später an diesem Morgen, nachdem Sarah weg ist, Big in die Bäume gegangen und Grama sich zu ihren grünen Damen ins Atelier zurückgezogen hat, schleiche ich zur Tür hinaus. Wider alle Vernunft bin ich davon überzeugt, dass diese Sache funktionieren wird. Ich muss immer daran denken, dass Bailey stolz auf diesen idiotischen Plan wäre. Außergewöhnlich , würde sie sagen. Genau genommen würde es Bailey vielleicht sogar gefallen, dass ich mich schon so schnell nach ihrem Tod in Joe verliebt habe. Vielleicht ist das genau die unpassende Art, auf die meine Schwester von mir betrauert werden möchte.
Die Blumen sind immer noch hinter der Eiche, wo ich sie stehen gelassen habe. Bei ihrem Anblick bin ich wieder erschüttert von ihrer außerordentlichen Schönheit. Noch nie habe ich so einen Strauß gesehen, noch nie habe ich die explodierende Farbe einer Blüte gleich neben der nächsten gesehen.
In einer Wolke exquisiten Dufts gehe ich den Hügel zu den Fontaines hoch. Ob es die Kraft der Einbildung ist oder ob die Rosen wirklich verzaubert sind, wer weiß das schon, aber als ich zum Haus komme, bin ich so verliebt in Joe, dass ich kaum klingeln kann. Ich habe ernste Zweifel, ob ich in der Lage bin, einen zusammenhängenden Satz zu bilden. Wenn er die Tür aufmacht, sollte ich ihn einfach zu Boden ringen, bis er aufgibt und gut ist.
Aber das Glück hab ich nicht.
Die elegante Frau, die sich neulich im Garten gestritten hat, öffnet die Tür. »Sag nichts, du musst Lennie sein.« Es wird sofort offenbar, dass die Fontainesprosse Mutter Fontaine
in Sachen Lächeln nicht das Wasser reichen können. Das sollte ich Big erzählen – mit ihrem Lächeln hat sie bessere Chancen, Käfer zum Leben zu erwecken, als er mit seinen Pyramiden.
»Das bin ich«, sage ich. »Schön, Sie kennenzulernen, Mrs Fontaine.« Sie ist so freundlich, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie weiß, was zwischen mir und ihrem Sohn vorgefallen ist. Wahrscheinlich redet er genauso viel mit ihr wie ich mit
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