Über Stock und Runenstein
unser letzter Schultag. Ich
bin nur gegangen, weil sie den Rektor als Puppe verbrannt haben. Danach gab es
nichts Interessantes mehr zu sehen, da dachte ich, da geh’ ich mal rüber und
helf’ Onkel Henny. Könnte ja sein, daß er vielleicht jemanden zum Traktorfahren
oder so braucht«, meinte Ralphie in aller Unschuld und häufte großzügig fast
alles, was noch auf dem Tisch stand, auf seinen Teller.
»Wie wär’s, wenn du ‘ne Weile ‘ne
Mistgabel fahren würdest?« grunzte Henny.
»Wie du meinst, Onkel. Letzten Samstag
hab’ ich ja auch den Hühnerstall saubergemacht, oder? Kühe haben wenigstens
keine Hühnerläuse.«
»Hätten die Hühner auch nich’, wenn sie
ordentlich gepflegt würden.«
Miss Hilda hatte die Bemerkung
automatisch gemacht, als wären ihre Gedanken nicht ganz bei der Sache. Sie trug
ihr Haar heute hübsch gewellt, offenbar hatte sie diesmal die Nacht mit ihren
Lockenwicklern verbracht und den Entschluß gefaßt, für den Fall gewappnet zu
sein, daß Sven Svenson sie zu einem neuen Spaziergang einladen würde.
Das vage Gefühl der Unruhe, das Peter
Shandy schon den ganzen Morgen verspürt hatte, verwandelte sich plötzlich in
wirkliche Besorgnis. Jetzt, wo der junge Ralph hier war, um Henny zu helfen,
war es sicher klüger, Tim wieder zurück zum Crescent zu bringen, wo er sich
ausruhen konnte, wie seine Schwiegertochter angeordnet hatte. Laurie hatte
ihren Schwiegervater so unter Druck gesetzt, daß er sich erstmals, seit er im
Zweiten Weltkrieg als untauglich ausgemustert worden war, einer gründlichen
ärztlichen Untersuchung unterzogen hatte, wobei man erhöhten Blutdruck
festgestellt hatte, was allerdings keinen erstaunte. Immerhin hatte Tim
jahrelang mit seiner Frau Jemima zusammengelebt, bevor diese auf so plötzliche,
grausame Weise umgekommen war.
Sie bedankten sich bei Miss Hilda für
das Essen, versprachen, später vielleicht noch einmal wiederzukommen, und
gingen zum Wagen. Als Tim stehenblieb, um noch einige weise Worte über die
richtige Kompostierung von Geflügelmist von sich zu geben, ein Thema, für das
der junge Ralph erstaunlicherweise brennendes Interesse zeigte, holte Fergy
Peter ein.
»Entschuldigen Sie, Professor, könnt’
ich Sie wohl mal kurz sprechen?«
»Natürlich.«
Die Frage erschien reichlich
überflüssig, da Fergy dies mehr oder weniger bereits seit einer Stunde getan
hatte, doch Shandy war trotzdem bereit, sich anzuhören, was der Trödler auf dem
Herzen hatte. Es stellte sich heraus, daß es der Runenstein war.
»Ich weiß auch nicht, warum, Professor,
aber er macht mir Sorgen. Ich wünschte, Miss Hilda hätte Cronk Swope nichts von
den Runen erzählt.«
»Welchen Runen?«
»Na, die Runen, die er gefunden hat — oh,
ich verstehe. Ich darf nichts davon wissen. Huh!« Fergy sah nicht beleidigt aus,
nur leicht amüsiert, soweit Shandy dies durch den feurigen Schnurrbart erkennen
konnte. »Hier auf dem Dorf hält man am besten alles geheim.«
»Nur weil, eh, Miss Horsefall nicht
möchte, daß all die jungen Leute sofort hinrennen und sich ihre guten Kleider
an den Dornen zerreißen«, versuchte Shandy sich zu entschuldigen. »Natürlich
war uns klar, daß Swopes, eh, journalistische Neigungen irgendwann die Sache
ans Licht bringen würden.«
»Aha. Nennen Sie mir mal jemanden in
Balaclava County, der keine journalistischen Neigungen hat! Sehen Sie, ich hab’
den Mund gehalten und werd’ es auch weiterhin tun. Als Henny mir von den Runen
erzählt hat, hab’ ich ihn gewarnt, nicht zu viel darüber zu sprechen. Aber ich
wußte verdammt gut, daß Cronk ‘nen Artikel drüber für seine Zeitung schreiben
und ihn auch noch an ein Dutzend andre Zeitungen schicken würde. Kann man dem
Jungen nicht mal übelnehmen, daß er versucht, sich ‘n Namen zu machen, oder?
Bloß daß er — weiß ich auch nicht. Ich hab’ bloß so ‘ne komische Vorahnung, das
is’ alles.«
»Könnten Sie diese, eh, Vorahnung etwas
näher beschreiben?«
»Na ja, wissen Sie, als ich das erste
Mal von dem Runenstein hörte, dachte ich, es war ‘n Haufen Unsinn, wie das
sonst auch immer ist. Aber als Spurge auf so furchtbare Weise ums Leben kam,
grad als Cronk und Miss Hilda dorthin wollten, ja, Himmel noch eins! Es war so
‘ne Art Warnung, wenn Sie verstehen, was ich sagen will. Als wenn es im
Eichenhain irgendwas gibt, das man besser in Ruhe lassen sollte, wenn Sie
wissen, was ich meine. Klingt total verrückt, nich’? Sie können mich ruhig
auslachen.«
»Daran
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