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Ueberdog

Ueberdog

Titel: Ueberdog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg-Uwe Albig
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aufstieg.
    Unter stummem Protest hob ich das Glas. Die vier Penner nahmen meinen Protest nicht zur Kenntnis. Sie schienen auch von mir keine Notiz mehr zu nehmen. Sie prosteten einander zu, verfielen dann in wohliges Schweigen. Einmal rempelte einer den anderen zum Spaß mit der Schulter an. Einer tätschelte eine klobige Hand, die zufällig auf dem Tisch lag. Eine entlud sich in einem wohligen Seufzer.
    »Weißt du, oder«, sagte irgendwann der Afghane zu der kahlen Frau, sah ihr fahrig, aber tief in die schimmernden Augen. Die rechte Hand ragte weit aus dem Ärmel seiner Wildlederjacke; auf dem Handgelenk erkannte ich den Schriftzug WICKED, sorgfältig in Schreibschrift tätowiert. Die Schrift hatte die blauviolette Farbe der Stempel, mit denen man im Schlachthof Schweinehälften markiert.
    »Shit«, antwortete die Glatzenfrau und rieb sich die mächtige Nase.
    Der Mann mit dem Kopftuch starrte mich an; es sah aus wie ein Geschirrtuch, vergilbt, mit violetten Mustern. Ich erkannte Delphine und Sonnen und eine grinsende Teekanne. »Entweder du bist da«, entschied er, »oder du bist nicht da.« Als er den Gürtel lockerte, entwich ihm ein weicher Rülpser. Ich spürte seine Blicke auf meinen Schenkeln, glaubte schweren Atem zu hören.
    Ich war dankbar, dass er mich nicht berührte. Als ich in seine Augen sah, seine großen, atlantischen Augen hinter der Drahtbrille, wich er ein paar Zentimeter zurück. Ich lehnte mich in meinen Stuhl und versuchte, tief zu atmen. Ganz ruhig, Stella, sagte ich mir. Hier wird nichts von dir verlangt.
    »Was geht«, fragte die Frau im Faltenrock.
    »Irgendwas geht immer«, antwortete der Freibeuter. Er starrtezur Kreuzung Susannenstraße, wo sich die Autos in Bewegung setzten. Der Afghane untersuchte den lappigen Ausschnitt seines T-Shirts und schien etwas zu finden, denn er kratzte sich mit langen, gemüseartigen Fingern.
    Verstohlen drehte ich mich um. Und dort kam auch wahrhaftig schon die Kellnerin auf den Tisch zugeschritten, flankiert von zwei kräftigen Kollegen. Die Kollegen trugen rasierte Schläfen und ausdruckslose Mienen. Es war ein Aufmarsch wie in Bertoluccis »1900«, und es gab keinen Zweifel, wen er hinwegfegen würde.
    Die Sonne trat hinter einer Wolke hervor, beglänzte die Gesichter der Penner. Sie erblühten in der Wärme, wurden rot und reich an Einzelheiten. Die Kellnerin und ihre beiden Schergen näherten sich weiter dem Tisch. Es gab nur eine Möglichkeit, den Zusammenstoß abzuwenden.
    »Schon gut, schon gut«, sagte ich, als die Kellnerin neben mir stand. Dann wandte ich mich an die Runde: »Also, Kinder, was wollen wir trinken?«
    Die Penner schienen mich kaum zu hören. Gleichgültig sahen sie einander an, dann mich, mit jener flüchtigen, gerührten Neugier, mit der man einen Marienkäfer im Herbst betrachtet. »Also gut«, sagte ich. »Noch eine Flasche. Don –«
    Als der Sekt kam, wartete der blonde Afghane nicht eine Minute. Kaum hatte die Kellnerin dem Tisch den Rücken gekehrt, schnappte er sich die Flasche und rannte die Straße hinauf. Die Frau mit der Glatze war die Erste, die den Plan begriff; der Mann mit dem Kopftuch brauchte noch eine Weile, um unter dem Tisch seine Schuhe zu finden. »Komm her, ich hab sie«, brummte die Geblümte, schwenkte ein Paar verkrustete Sneakers,und barfuß lief der Mann seinen Schuhen hinterher. Und ich folgte ihnen.
    Während ich auf knickenden Pumps die Budapester Straße hinabjagte, blindlings der galoppierenden Herde hinterher, wurde mir klar, dass etwas geschehen war.

4
    Die Möbel unter der Brücke sahen aus wie eine Installation für ein zynisches Heimatmuseum. Zwischen den Möbeln standen Kinderwagen; antike Modelle verschiedener Epochen, bauchige Körbe mit Zipfelmützen, angefüllt mit Plastiktüten in Supermarktfarben. Ich sah zu, wie die Penner ihre Plätze einnahmen; der Afghane sank auf ein abgewetztes Fin-de-Siècle-Imitat, die Geblümte in den dünnknochigen Rattankorb mit den aufgeplatzten Schaumstoffkissen. Die Glatze balancierte sich auf einen Barhocker; der Träumer verschwand in einem Sessel, der die reiche Ornamentik seines Kopftuchs aufnahm. Ein Fettkloß in einem schwarzen Kunstledermantel trat hinzu; passend dazu versank er in einem schwarzen Kunstlederblock. Ich stand eine Weile da, bis die anderen mich anstarrten, nicht einmal ungeduldig, nur überdrüssig. Ich sah mich um; schließlich sank ich still auf einen zerfetzten Regiestuhl.
    Der Afghane schaute mich an. Er fragte mich nach einer

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