Ueberdog
entblößte er dieweiße Haut zwischen den Haarstoppeln. Gebannt starrten alle auf den Bauchnabel, der unter ihrem engen, zerrissenen Top aufblitzte wie ein bionischer Diamant, aus einem Krater gewachsen und fiebrig schimmernd. Und nicht eine Sekunde lang verschwand das Lächeln aus ihrem Gesicht, das unverwüstliche Delphinlächeln ihres breiten Mundes unter der langen Nase.
Ich musterte die Runde, die lässigen Hände in den Hosentaschen, die amüsiert grinsenden Gesichter. Doch hinter dem Grinsen erkannte ich eine Dankbarkeit, eine Bewunderung für Bettys Sprung, den sie selber nicht wagten, aus dem Äther ins Wirbeln der Elemente. Ich überließ Betty ihrem Publikum und lief weiter. Längst hatte ich auf den Straßen gelernt, wie man die Übersicht verliert, um endlich zu finden .
In einem stuckprallen Zimmer hing ein riesiges, mit Nesseltuch verhülltes Gemälde. Ich strich über den Stoff; ich genoss das Alleinsein mit diesem großen Bild, das sein Geheimnis hütete, genau wie auch ein Engel sein Geheimnis nicht preisgab. Der Nesselüberzug gab leicht nach; ich achtete darauf, das Bild nicht zu berühren. Ich richtete mich ein in diesem Raum; ich beschloss, diesen Raum nicht mehr zu verlassen, als ich vom Flur her den schneidenden Alt einer Frau hörte.
»Die Klunker hast du den Negern geklaut.«
»Ich glaube, Sie sind nicht mehr ganz nüchtern«, antwortete liebenswürdig eine zweite Frauenstimme; ich hörte das Lächeln in dieser Stimme, die summenden Elbsilben. »Aber es ist faszinierend, was Sie zu sagen haben.«
Ich streichelte den Nesselstoff. Jetzt hörte ich Zebras Worte, irgendwie erstickt, aber triumphierend: »Du bist ein ganz, ganz kleiner Dreck.«
»Sie aber auch«, sagte die andere aufmunternd. Ich versuchte, die Stimme zu erkennen; es konnte Theres Mormacher sein oder Sara Theremin. »Hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen.«
Dann verstummten die Stimmen. Ich schlich aus der Tür, wanderte flurabwärts, traf in einem maurisch gekachelten Raum auf Sandra-Zerline Gerlach und ihre Dalmatiner. Die Hunde standen vor einem achteckigen Brunnen mit türkisfarbenem Wasser, zur Quadriga vereint; vor ihnen kauerte Paul auf den Fliesen. Er griff in einen leeren Sektkübel und stopfte den Tieren Canapés vom Buffet in die spitzen Schnauzen. Ihr Knurren ging bald in freundschaftliches Brummen über. Ich sah Sandra-Zerlines verlegenes Lächeln; beruhigend nickte ich ihr zu und verließ den Raum.
In einem der Schlafzimmer, gegenüber einem flämischen Gobelin mit Jagdszenen und Fabeltieren, fand ich Zork vor dem Kleiderschrank. Er trug ein Abendkleid von Rashida Azazzane; die Spiegeltüren zeigten ihm sein Bild und die hingerissenen Zuschauer, die ihm in den Raum gefolgt waren. Zork vollzog eine Pirouette, strich die Seide glatt über der knochigen Brust. Dann griff er einen bronzenen Kleiderbügel vom Bett und jagte die Schaulustigen in die Flucht. Das Kleid rauschte, während die Vertriebenen lachend aus dem Zimmer stoben; ein Mann im Smoking fiel in hohes, verzücktes Japsen. Ich erkannte Bernd Wüstenhagen, den Leiter des Festivals Con Temporis .
Schmiddel traf ich im Foyer. Er hatte noch immer den Mantel an. Im Licht der Deckenstrahler sah er aus wie ein Denkmal, das jahrhundertealte Standbild eines hanseatischen Kaufmanns, verkrustet von Feinstaub und Taubendreck. Als er mich sah, hob er die Hand, seine ewig saubere, fremde Hand. Stolz lächelte ichihn an; gelassen schlenderte ich ihm entgegen. Doch er ließ mich stehen, stakte weich den Flur hinab.
Etwas schien mit der Party geschehen zu sein. Aus der Küche hörte ich Scheppern; ich spähte hinein und sah Theo Seibmann und Ricky Zamorra. Sie schlugen, die Krawatten gelockert, auf Edelstahlkochtöpfe ein. Milena Trasicka zündete ihre Zigarette am Cerankochfeld an; Glut ergriff ihren Bubikopf, beschien ihre untertassengroßen Kreolen. »Ich liebe Farben und finde es gut, wenn auch ein Schuss Humor in meiner Kleidung steckt«, verkündete Vera Schamoni aus zwei Metern Höhe einem Mann, der aussah wie Danny deVito. Der Mann brach in brüllendes Gelächter aus. Ich lachte erst aus Höflichkeit mit, aber konnte schon bald nicht mehr aufhören.
In einem Esszimmer saßen Nicola Sernheimer und Ivy Ringier am endlosen Tropenholztisch und spielten ein Abzählspiel; zeitversetzt klatschten ihre Hände gegeneinander. Benedikt Wouters, dessen Filme für eine surrealistische und oft rätselhafte Bildwelt standen, wankte mit zwei halbvollen Weinflaschen
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