Ueberdog
mitzubringen, die sie für passend hielten, eine Flasche billigen Tempranillo oder ein Sixpack Wurzener Pilsener.
Allmählich merkte ich, dass meine Kamera das Strahlen nicht nur sichtbar machen konnte, sondern selber strahlte. Ich merkte, dass sie aus Schmiddel und seinen Leuten das Beste herausholte. Sie begannen, sich für die Kamera zurechtzumachen; eines Tages kam Chuck mit einer Cordhose zurück, deren monströser Schlag in fantastische zahnartige, erratisch flatternde Streifenmündete. Paul promenierte irgendwann in einem flamboyanten weinroten Frottee-Nicki, der seinen immer erstaunt aussehenden Bauchnabel frei ließ, über die Plaza; es sah irgendwie classy aus. Zork legte sich einen ledernen Motorrad-Nierenschutz zu, der mich an die Darkroom-Kollektion von Donald O’Donahue erinnerte. Zebra, die Keusche, beschränkte sich darauf, eine Radkappe wie ein Diadem auf ihr Haar zu setzen.
Selbst Schmiddel, der sonst keine Abweichung von seiner Kleiderroutine schätzte, rüschte eines Tages seinen Kamelhaarmantel mit einer Reihe von Strafzetteln auf, die er unter Scheibenwischern hervorzog und mit Sicherheitsnadeln im Pelz befestigte. Nur Betty blieb verstockt, beharrte auf ihre krummen Ballerinas, ihren ewigen pinkfarbenen Rock, ihr enges schwarzes Oberteil mit der Blümchenborte, die aussah, als würde sie nur aus Versehen die Brüste bedecken.
Ich aber fand in einem Karton vor einem Army-Shop in Ottensen einen ledernen Patronengurt. Und ich ertappte mich bei der Frage, ob er Zork gefallen könnte. Ich stellte mir sogar vor, wie er neben dem speckigen Motorrad-Nierenschutz aussehen könnte, den Zork Tag und Nacht trug. Der Gedanke, sein Leder an meinem Leder zu wissen, kam mir fast romantisch vor; es war beinahe wie Haut an Haut. Und ich konnte dem Diebstahl nicht widerstehen.
Es war der erste Diebstahl meines Lebens.
Eines Tages wuchteten Chuck und Zork ein Kingsize-Messingbett mit goldenen Eckpfählen in die Fitnesszone. Die Matratze sah aus wie neu. »So«, sagte Zork und warf sich auf das Lager, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und kreuzte die Stiefelüber dem Fußende. Zebra aber setzte sich auf die Bettkante, barfuß, und leckte sorgsam einen Becher Pfirsichjoghurt aus.
Dann fotografierte ich Chuck, der die Arme kruzifixhaft über das Messinggeländer hängte; der Verband bedeckte den ganzen linken Unterschenkel. »Sieht abgefahren aus, Chuck«, freute ich mich. Als ich den Edding aus der Handtasche kramte, fiel mein Schlüsselbund auf die Matratze.
Ich kritzelte CRASH auf den Verband, mit ausladenden, expressiv krummen Buchstaben; dann legte ich die Nikon an. Aber Chuck sah nicht in die Kamera. Er starrte auf den Schlüsselbund.
Vielleicht, dachte ich, ruft der Anblick etwas wach in ihm; Bilder aus einer Zeit, in der er selbst einen Schlüsselbund besessen hatte, Bilder von Topfpflanzen, von Kindern, die sich zur Schule verabschieden, von Regalen mit Büchern und Tonfiguren aus dem Ägyptenurlaub. Aber Chuck sagte: »Du hast ja ein Auto.«
Ich sah den Schlüsselbund an. Ich sah den sternförmig ausgebreiteten Haufen Metall, aus dem der Autoschlüssel ragte, der Schlüssel zu meinem Saab. Und natürlich war es nicht der Schlüssel zu meinem Saab, sondern ein Schlüssel zu unserem Saab, denn selbstverständlich besaß auch Patrick einen Schlüssel zu unserem Saab, und mittlerweile zweifellos den ganzen Wagen.
»Nee, Chuck«, sagte ich. »Ich hab kein Auto.«
Aber Chuck sagte: »Wart’s ab.«
Im Abendlicht liefen wir dann die Reeperbahn hinunter. Unser sicherer, weicher Raubtierschritt entsprach hundertprozentig dem der Peter Pan Pipers in ihrem Clip zu »Taliban For YourLove«; Häuser schrumpften um uns, Verkehrsampeln knickten wie welke Tulpen, Menschen sanken dahin, mit seligem Blick. Chuck schwenkte meinen Schlüsselbund; wir sahen hochgestimmt und betrunken aus wie jedermann. Wir umarmten uns; wir starrten in die Gesichter der Leute, bis sie wegschauten. Und so fiel es nicht auf, wenn wir von Zeit zu Zeit stehenblieben, uns umständlich um ein Auto gruppierten und fluchend mit dem Saab-Schlüssel in irgendeinem Schloss stocherten.
Schon beim zwölften Versuch öffnete sich die Tür eines marineblauen Audi. Zork wollte noch weitersuchen; ihm schwebte ein Cabrio vor. »Wenn’s weiter nichts ist«, sagte Chuck. »Das Dach kriegen wir schon ab.« Tatsächlich brauchte es dann nur einen konzentrierten, gemeinschaftlichen Ruck.
Es war ein guter Einfall gewesen, nicht auf das Cabrio zu
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