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Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht

Titel: Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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dein Zeugnis von Reed angeschaut,
     und wie ich sehe, musst du noch lernen, dass man für Bildung Opfer bringen muss. Anfrage abgelehnt. Also bin ich zum Dekan.
     Dasselbe Spiel.«
    |86| Er klingt angespannt. Der Vorfall liegt 30 Jahre zurück, doch bei der Erinnerung daran kommt ihm nach wie vor der Ärger hoch.
     »Irgendwann habe ich mir gedacht, ich mache mich hier krumm, um das Geld für die Universität aufzutreiben, und es ist mitten
     im Winter in Montana. Ich bin bereit, jeden Tag in die Stadt zu trampen und alles zu tun, um wieder zur Universität zu gehen,
     aber die wollen nichts für mich tun. Das ist doch verrückt. In dem Moment bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es auch ohne
     Universität geht. Und auch wenn es nicht ohne geht – es war mir derart zuwider, dass ich nicht mehr wollte. Also bin ich von
     der Universität runter, ganz einfach.«
    Chris Langans Erfahrung am Reed College und an der Montana State University waren ein Wendepunkt in seinem Leben. Als Kind
     hatte er immer davon geträumt zu studieren. Er hätte einen Doktortitel erwerben sollen – schließlich sind Universitäten genau
     auf Menschen mit seiner intellektuellen Neigung und Neugierde zugeschnitten. »Ich habe immer gedacht, sobald er an die Universität
     kommt, geht es ihm gut«, sagt sein Bruder Mark. »Ich habe gedacht, er würde seine Nische finden. Es hat einfach nicht gepasst,
     dass er von der Universität runter ist.«
    Ohne Abschluss wusste Langan nicht weiter. Er arbeitete auf dem Bau. Einen eisigen Winter lang verdingte er sich auf einem
     Muschelfischer vor Long Island. Er jobbte in Fabriken und nahm Gelegenheitsarbeiten in der Stadt an. Schließlich wurde er
     Rausschmeißer in einer Bar auf Long Island, und das war lange Zeit seine Haupteinnahmequelle. Nebenbei beschäftigte er sich
     weiter mit Philosophie, Mathematik und Physik und arbeitete an einem ausufernden Aufsatz, den er »CTMU« nennt: »Kognitives
     theoretisches Modell des Universums«. Aber ohne Universitätsabschluss hat er keine Aussichten darauf, diesen Aufsatz je in
     einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlichen zu können.
    »Ich bin ein Typ mit anderthalb Jahren Studium«, sagte er achselzuckend. »Irgendwann merkt das auch der Herausgeber. Er schickt
     den Aufsatz an Juroren, die schlagen mich nach und finden |87| mich nirgends. Und dann sagen sie, der Typ hat anderthalb Jahre lang studiert. Der kann doch unmöglich eine Ahnung davon haben,
     worüber er da schreibt.«
    Es ist eine Geschichte, die einem das Herz zerreißen kann. In unserem Gespräch frage ich Langan, ob er sich – rein theoretisch
     natürlich nur – vorstellen könnte, einen Job an der Harvard University anzunehmen. »Schwierige Frage«, erwidert er. »Natürlich
     wäre ich als Harvard-Professor jemand. Meine Meinung hätten Gewicht, und ich könnte die Position und die Verbindung mit Harvard
     nutzen, um meine Ideen zu publizieren. Eine Institution wie diese ist eine Quelle intellektueller Energie, ich würde die Schwingungen
     in mir aufsaugen.« Plötzlich wird deutlich, wie einsam er sein Leben lang war. Dieser Mann mit seinem unersättlichen Bildungshunger
     war Zeit seines Lebens zu intellektueller Isolation verdammt. »Diese Energie habe ich auch während der anderthalb Jahre gespürt,
     die ich an der Universität war«, sagt er beinahe wehmütig. »Überall waren Ideen in der Luft. Universitäten sind sehr anregende
     Orte.«
    »Andererseits«, fährt er fort, »ist Harvard im Grunde nichts anderes als ein verklärtes Wirtschaftsunternehmen, das auf Profitbasis
     operiert. Nur darum geht es. Sie haben eine milliardenschwere Stiftung. Die Leute, die hinter Harvard stehen, haben kein Interesse
     an Wahrheit und Erkenntnis. Sie wollen nur groß dastehen. Wenn man auf der Gehaltsliste dieser Leute ist, dann steht am Ende
     das, was man selbst will und für richtig hält, gegen das, was man nach der Ansicht von denen da oben machen kann, wenn man
     weiter auf der Gehaltsliste bleiben will. Wenn man erst mal da ist, haben die den Daumen drauf. Die sehen zu, dass keiner
     aus der Reihe tanzt.«
    2.
    Was können wir aus der Geschichte von Chris Langan lernen? So herzzerreißend seine Erklärungen sein mögen, sie klingen auch |88| ein wenig merkwürdig. Seine Mutter vergisst, ein Formular auszufüllen, und – schwupp! – hat er kein Stipendium mehr. Er will
     von einem Vormittags- in einen Nachmittagskurs wechseln – eigentlich eine Routineangelegenheit

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