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Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht

Titel: Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Wissen, das man um seiner selbst Willen erwirbt. Es hilft
     uns, Situationen richtig einzuschätzen und unsere Ziele zu erreichen. Diese Intelligenz hat nichts mit den analytischen Fähigkeiten
     zu tun, die in einem Intelligenztest abgefragt werden. Um einen technischen Begriff zu verwenden, verhalten sich allgemeine
     und praktische Intelligenz »orthogonal« zueinander: Wenn eine vorhanden ist, heißt das nicht, dass die andere vorhanden sein
     muss. Manche Menschen haben viel analytische und kaum praktische Intelligenz, andere haben kaum analytische und dafür umso
     mehr praktische Intelligenz, und wieder andere – wie im glücklichen Fall von Robert Oppenheimer – haben eine gehörige Portion
     von beidem.
    Woher kommt also diese praktische Intelligenz? Woher die analytische Intelligenz kommt, wissen wir: Sie hängt zumindest zum
     Teil mit den Genen zusammen. Chris Langan sprach die ersten Worte im Alter von sechs Monaten und brachte sich im Alter von
     drei Jahren das Lesen bei. Er kam als schlaues Kind zur Welt. Der Intelligenzquotient ist in gewisser Hinsicht das Maß einer
     angeborenen Fähigkeit. 12 |93| Doch Sozialkompetenz ist eine Form von Wissen und beinhaltet Fähigkeiten, die erst erworben werden müssen. Dieses Wissen muss
     irgendwoher kommen, und ein wichtiger Ort, an dem wir die erforderlichen Fähigkeiten erlernen, ist die Familie.
    Die vielleicht beste Erklärung dieses Prozesses stammt von der Soziologin Annette Lareau von der University of Maryland, die
     vor einigen Jahren mit einer Gruppe von Drittklässlern eine faszinierende Untersuchung durchführte. Sie wählte schwarze und
     weiße, wohlhabende und arme Kinder aus und konzentrierte sich schließlich auf zwölf Familien. Lareau und ihr Team besuchten
     jede Familie mindestens 20 Mal für jeweils mehrere Stunden. Sie und ihre Mitarbeiter baten ihre Testpersonen, sie einfach
     wie den Haushund zu behandeln, und begleiteten sie mit dem Kassettenrekorder in der einen Hand und dem Notizblock in der anderen
     in die Kirche, zum Fußballspiel und zum Arzt.
    Man würde erwarten, dass sich nach einer derart ausführlichen Untersuchung von zwölf verschiedenen Haushalten zwölf vollkommen
     unterschiedliche Erziehungsstile herauskristallisieren würden: strenge und nachsichtige Eltern, solche, die sich in alles
     einmischen, andere, die ihren Kinder viele Freiräume lassen, und so weiter. Lareau fand jedoch etwas ganz anderes heraus.
     Es gibt nur zwei »Erziehungsphilosophien«, die sich ganz eindeutig nach Klassenzugehörigkeit unterscheiden lassen. Eltern
     der Ober- und Mittelschicht erziehen nach der einen Methode, Eltern der Unterschicht nach der anderen.
    Eltern der Ober- und Mittelschicht sind bei der Freizeitgestaltung ihrer Kinder stark involviert, sie fahren sie von einem
     Termin zum nächsten und fragen sie nach Lehrern, Trainern und Mitschülern aus. Eines der Kinder aus den gut situierten Familien,
     die Lareau beobachtete, war in einer Baseballmannschaft, zwei Fußballteams, einem Schwimmclub und im Sommer in einer Basketballmannschaft,
     außerdem spielte es in einem Orchester und nahm Klavierunterricht.
    Die Kinder aus den Familien der Unterschicht kannten diese |94| intensive Terminplanung nicht. Für sie bedeutete Freizeitgestaltung etwas anderes als zweimal pro Woche zum Fußballtraining
     zu gehen. Sie spielten mit Geschwistern und Nachbarskindern im Freien und erfanden ihre eigenen Spiele. Für die Eltern waren
     die Aktivitäten ihrer Kinder etwas, das nichts mit der Erwachsenenwelt zu tun und keine besondere Bedeutung hatte. Katie Brindle,
     ein Mädchen aus einer Arbeiterfamilie, sang nach der Schule in einem Chor. Sie hatte sich allerdings selbst angemeldet und
     ging zu Fuß zu den Proben. Lareau schreibt:
    Anders als die Mütter der Mittelschicht, für die es eine Routine ist, nimmt Mrs. Brindle das Interesse ihrer Tochter am Gesang
     nicht zum Anlass, um nach Möglichkeiten zu suchen, wie sie das Talent ihrer Tochter fördern kann. Sie spricht weder mit ihrer
     Tochter über deren Interesse am Theater noch bringt sie ihr Bedauern darüber zum Ausdruck, dass sie das Talent ihrer Tochter
     nicht fördern kann. Stattdessen betrachtet sie Katies Fähigkeiten und Interessen als festen Bestandteil ihres Charakters –
     Singen und Schauspielern sind Dinge, die Katie ausmachen. Für sie sind Katies Theatereinlagen »süß« und etwas, das diese tut,
     um auf sich aufmerksam zu machen.
    Eltern der Mittelschicht

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