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Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht

Titel: Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Ochsenziemer. Er fand Arbeit, verlor sie wieder und zog mit der
     Familie eine Stadt weiter. Einen Sommer verbrachte die Familie in einem Zelt auf einem Indianerreservat, wo sie von Erdnussbutter
     und Maismehl aus Regierungsbeständen lebte. Für kurze Zeit wohnten sie in Virginia City im Bundesstaat Nevada. »Der Ort hatte |84| nur einen einzigen Polizeibeamten. Jedes Mal, wenn die Hell’s Angels gekommen sind, hat er sich in seinem Büro in der hintersten
     Ecke versteckt«, erinnert sich Mark Langan. »Es gab eine Bar, das werde ich nie vergessen, die hieß Bucket of Blood Saloon.«
    Als die Jungen in die Grundschule gingen, zog die Familie nach Bozeman in Montana. Einer von Christophers Brüdern kam in ein
     Kinderheim, ein anderer in ein Jugendgefängnis.
    »Ich glaube, es hat nie irgendjemand bemerkt, wie begabt Christopher war«, meint sein Bruder Jeff. »Er hat es natürlich nicht
     raushängen lassen. Wir waren in Bozeman. Es war alles anders als heute. Wir sind in einem Provinzkaff groß geworden. Wir sind
     dort nicht gut behandelt worden. Für die waren wir doch nur Penner.« Um für sich und seine Brüder einstehen zu können, begann
     Chris mit dem Gewichtheben. Eines Tages, als Jack Langan wie so oft die Jungen verprügelte, schlug ihn der inzwischen 14-jährige
     Chris zu Boden. Jack verschwand auf Nimmerwiedersehen. Nach der High School boten zwei Universitäten Chris ein Stipendium
     an: Reed College in Oregon und die University of Chicago. Er entschied sich für Reed.
    »Das war ein Riesenfehler«, meint Chris heute. »Ich habe das seinerzeit als Kulturschock empfunden. Ich war ein Junge mit
     kurzgeschorenen Haaren und hatte im Sommer in Montana als Erntehelfer gearbeitet. Die anderen Studenten waren ein Haufen langhaariger
     Stadtkinder, vor allem aus New York. Diese Kids hatten einen ganz anderen Stil, den ich nicht kannte. In den Kursen habe ich
     kein Wort dazwischenbekommen. Die wollten alles wissen und haben die ganze Zeit Fragen gestellt. Ich war in einem Wohnheimzimmer
     untergebracht. Wir waren zu viert, aber die anderen drei hatten einen vollkommen anderen Lebensstil als ich. Sie haben Haschisch
     geraucht und ihre Freundinnen aufs Zimmer mitgebracht. Ich hatte noch nie im Leben Haschisch geraucht. Also habe ich mich
     die meiste Zeit in die Bibliothek verkrochen.«
    Er fährt fort: »Dann habe ich mein Stipendium verloren … Für den Wiederholungsantrag sollte meine Mutter ein Formular zu ihrer
     Vermögenssituation ausfüllen. Das hat sie nicht gemacht. |85| Vielleicht hat sie das Formular einfach nicht verstanden, ich habe keine Ahnung. Irgendwann habe ich dann nur festgestellt,
     dass mein Stipendium ausgelaufen war. Ich bin ins Büro gegangen und habe nachgefragt was los ist, und die haben mir mitgeteilt,
     sie hätten das Formular zur Vermögenssituation nicht bekommen, und jetzt hätten sie alle ihre Stipendien vergeben und kein
     Geld mehr übrig. Es täte ihnen leid, aber ich würde kein Stipendium mehr bekommen. Das war der Stil in dem Laden. Es war ihnen
     einfach egal. Es gab keine Beratung, keine Betreuung, nichts.«
    Noch vor den Abschlussprüfungen des zweiten Semesters ging Chris von Reed College ab. Auf seinem Abschlusszeugnis stand hinter
     jedem Kurs »durchgefallen«. Im ersten Semester hatte er durchweg sehr gute Noten erhalten. Er ging zurück nach Bozeman und
     arbeitete anderthalb Jahre auf dem Bau und als Brandschützer im Wald. Dann schrieb er sich an der Montana State University
     ein.
    »Ich habe Mathematik und Philosophie belegt«, erinnert er sich. »Ich habe 20 Kilometer außerhalb gewohnt, an der Beach Hill
     Road, und bin mit dem Auto reingefahren. Und dann ist mir irgendwann mitten im Winter das Getriebe kaputtgegangen. Meine Brüder
     hatten den Wagen benutzt, als ich im Sommer nicht da war. Sie hatten für die Eisenbahn gearbeitet und waren auf den Gleisen
     gefahren. Ich hatte nicht das Geld, um das Auto zu reparieren. Also bin ich zuerst zu meinem Betreuer gegangen und dann zum
     Dekan und habe ihnen mein Problem geschildert. Das Getriebe meines Autos ist kaputt, und ich habe einen Kurs morgens um halb
     acht. Können Sie mich nicht in den Nachmittagskurs wechseln lassen, ich wäre Ihnen sehr dankbar, weil ich ansonsten nicht
     an die Uni kommen kann. Ein Nachbar, ein Bauer, hätte mich um elf Uhr mit in die Stadt genommen. Mein Betreuer war ein Cowboy-Typ
     mit Schnauzbart und Tweedjacke. Er hat zu mir gesagt, schau her, mein Sohn, ich habe mir

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