Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht
Erklärung heran. Er analysierte ihre körperliche
und geistige Gesundheit, ihre »Männlichkeits-Weiblichkeits-Werte«, ihre Hobbys und ihre beruflichen Interessen. Er verglich
den Zeitpunkt, zu dem sie zu laufen und sprechen begannen, und überprüfte ihre Intelligenzquotienten in Grundschule und High
School. Letztlich zählte jedoch nur ein einziger Faktor: ihre gesellschaftliche Herkunft.
Die As kamen überwiegend aus der Mittel- und Oberschicht. Bei ihnen zu Hause standen Regale voller Bücher. Die Hälfte ihrer
Väter hatte einen Hochschulabschluss, und das zu einer Zeit, als ein Studium eine Seltenheit war. Die Cs kamen dagegen vom
anderen Ende der gesellschaftlichen Leiter. In mindestens einem Drittel der Fälle hatte ein Elternteil nicht einmal einen
Schulabschluss.
Terman schickte seine Mitarbeiter zu den Teilnehmern, die er in die Gruppen A und C eingeordnet hatte, um deren Persönlichkeiten
bewerten zu lassen. Die Ergebnisse entsprechen dem, was man erwarten kann, wenn man Kinder aus einem Umfeld der konzertierten
Kultivierung mit Kindern aus einem Umfeld des natürlichen Wachstums vergleicht. Die As waren wacher, ausgeglichener, attraktiver
und besser gekleidet. Die Unterschiede in diesen vier Punkten waren derart ausgeprägt, dass man meinen könnte, es handele
sich um zwei unterschiedliche Spezies Mensch. Das ist natürlich nicht der Fall. Was wir hier beobachten, sind lediglich die
Unterschiede zwischen Menschen, die von ihren Eltern gelernt haben, der Welt ihr bestes Gesicht zu zeigen, und anderen, die
dies nicht gelernt haben.
Termans Ergebnisse sind zutiefst bedrückend. Vergessen wir nicht, wie talentiert die Gruppe C war. Wer sie im Alter von fünf |102| oder sechs Jahren kennenlernte, war von ihrer Neugierde, ihrer geistigen Beweglichkeit und ihrer Brillanz überwältigt. Es
waren Überflieger. Termans Untersuchungen belegen jedoch, dass sich am Ende kaum ein Kind aus den gesellschaftlich und wirtschaftlich
untersten Gesellschaftsschichten einen Namen machen konnte.
Was fehlte den Cs? Was ihnen fehlte, war weder teuer noch unmöglich zu finden, es hatte nichts mit den Genen oder den Schaltkreisen
in ihrem Gehirn zu tun. Ihnen fehlte etwas, das man ihnen hätte geben können, wenn man nur gewusst hätte, dass sie es benötigten:
eine Gemeinschaft, die sie richtig auf die Welt vorbereitete. Die Cs waren vergeudete Talente. Doch das hätte nicht so sein
müssen.
6.
Heute lebt Christopher Langan auf einem Bauernhof im Bundesstaat Missouri. Er ist erst vor einigen Jahren, kurz nach seiner
Heirat, hierher gezogen. Heute ist er 50 Jahre alt, doch er sieht erheblich jünger aus. Er hat den Körper eines Footballspielers,
eine breite Brust und enorme Bizeps. Das Haar trägt er aus der Stirn zurückgekämmt. Er trägt einen ordentlich gestutzten,
grau melierten Schnauzbart und eine Fliegerbrille. In seinen Augen funkelt die Intelligenz.
»An einem normalen Tag stehe ich morgens auf und mache mir einen Kaffee. Dann setze ich mich vor meinen Computer und arbeite
da weiter, wo ich am Abend zuvor aufgehört habe«, erzählt er mir. »Ich habe festgestellt, wenn ich abends beim Schlafengehen
noch eine Frage im Kopf habe, dann muss ich mich nur kurz vor dem Einschlafen darauf konzentrieren, und ich habe fast immer
am nächsten Morgen die Antwort. Manchmal träume ich die Antwort und kann mich daran erinnern. Manchmal spüre ich die Antwort
nur, und wenn ich mit dem Tippen anfange, entwickelt sie sich auf dem Bildschirm.«
|103| Zurzeit beschäftigt er sich mit den Arbeiten des Linguisten Noam Chomsky. Die Bücher stapeln sich in seinem Arbeitszimmer.
Er ist ein Stammkunde der Bibliothek. »Je näher man an die Quellen kommt, desto besser«, sagt er.
Langan wirkt zufrieden. Er kümmert sich um die Tiere auf seinem Bauernhof, liest Bücher und hat eine Frau, die er liebt. Das
ist besser als das Leben als Türsteher.
»Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der intelligenter ist als ich«, fährt er fort. »Ich habe nie jemanden kennengelernt,
der so ist wie ich, und ich habe nie gehört, dass jemand größere Gehirnkapazitäten hat als ich. Ich denke, das wird auch nicht
passieren. Es kann natürlich sein, ich will mich dem ja nicht verschließen. Wenn mich jemand herausfordern sollte, ›Oh, ich
glaube, ich bin schlauer als du‹, dann werde ich diese Herausforderung annehmen.«
Das wirkt leicht angeberisch, doch das ist es nicht. Im
Weitere Kostenlose Bücher