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Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht

Titel: Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Ausgabe von Aktien und Anleihen die juristische Seite und stellten sicher, dass ihre Kunden keinen
     Ärger mit den Regulierungsbehörden bekamen. Sie waren nicht am Gericht tätig, weshalb kaum eine Kanzlei eine eigene Prozessabteilung
     hatte.
    Paul Cravath, Mitbegründer von Cravath, Swaine and Moore, einer der weißesten der »Weiß-Schuh-Kanzleien«, erklärte einmal,
     die Aufgabe eines Anwalts bestehe darin, einen Streit im Konferenzraum beizulegen, nicht im Gerichtssaal. »Die klugen Köpfe
     unter meinen Harvard-Kommilitonen sind nach dem Abschluss in den Wertpapierhandel oder die Steuerberatung gegangen«, erinnert
     sich einer seiner Partner. »Das waren die Bereiche mit Prestige. Prozesse waren etwas für Amateure, nicht für seriöse Rechtsanwälte.
     Unternehmen haben sich damals nicht gegenseitig verklagt.«
    Womit sich diese alteingesessenen Kanzleien auch nicht abgaben, waren feindliche Unternehmensübernahmen. Das kann man sich
     heute, in einer Zeit, in der Corporate Raider und Investmentfonds ein Unternehmen nach dem anderen schlucken, kaum noch vorstellen.
     Doch bis in die Siebzigerjahre galt es als skandalös, wenn ein Unternehmen ein anderes gegen dessen Willen aufkaufte. Kanzleien
     wie Mudge Rose und andere Firmen der Wall Street waren nicht bereit, sich mit solchen Geschäften die Finger schmutzig zu machen.
    »Das Problem der feindlichen Übernahmen war eben, dass sie feindlich waren«, erklärt Steven Brill, Gründer der Fachzeitschrift
American Lawyer
. »So etwas tat man als Gentleman nicht. Wenn Ihr Kumpel von Princeton Vorstandsvorsitzender des Unternehmens X ist, dieses
     Unternehmen schon lange am Rand des Abgrunds herumkrebst und ein Corporate Raider bei Ihnen vorstellig wird und Ihnen sagt,
     dass dieses Unternehmen marode ist, dann wird Ihnen ganz mulmig zumute. Sie denken, wenn der geht, dann |114| bin ich vielleicht auch bald dran. Niemand will die bestehende stabile Ordnung gefährden.« 13
    Die Fälle, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren bei der jungen Generation jüdischer Anwälte aus der Bronx und Brooklyn
     »zur Tür hereinkamen«, waren genau die, für die sich die feinen Kanzleien zu gut waren: Prozesse, und wichtiger noch, die
     juristischen Auseinandersetzungen um Stimmrechte, mit denen eine feindliche Übernahme vorbereitet wurde. Ein Investor interessierte
     sich für ein Unternehmen, erklärte das Management für inkompetent und verschickte Briefe an die Aktionäre, um deren Stimmrechte
     zu bekommen und den Unternehmensvorstand aus dem Amt zu wählen. Und für Übernahmeschlachten wie diese bekamen Investoren nur
     einen Anwalt wie Joe Flom.
    In seinem Buch
Skadden
beschreibt der Justizhistoriker Lincoln Caplan die Anfangszeiten der feindlichen Übernahmen.
    Der Gewinner einer Übernahmeschlacht wurde in der Schlangengrube ermittelt – so nannte man den Raum, in dem bei den Aktionärsversammlungen
     die Stimmen ausgezählt wurden. Anwälte beider Seiten trafen sich mit den unabhängigen Wahlbeobachtern, deren Aufgabe darin
     bestand, zweifelhafte Stimmen anzuerkennen oder auszusortieren. Diese Auszählungen verliefen häufig hemdsärmelig und lautstark.
     Die Anwälte kamen gelegentlich in T-Shirts, aßen Wassermelonen und tranken Scotch. |115| Hin und wieder konnten die Ereignisse in der Schlangengrube eine Übernahme noch kippen und hingen an einer einzigen Stimme.
     Manchmal versuchten Anwälte, eine Wahl zu manipulieren, indem sie Wahlbeobachter anheuerten, die ihnen verpflichtet waren.
     Die Beobachter rauchten Zigarren, die ihnen von beiden Seiten geschenkt wurden. Die Anwälte der Unternehmensleitung fochten
     die Stimmen der Rebellen an (»Einspruch!«) und umgekehrt … In der Schlangengrube überlebten nur die Improvisationskünstler.
     Es gab Anwälte, die sich besser in den Aktionärsgesetzen auskannten, aber keiner konnte besser fighten als Joe Flom.
     Flom war dick (er hatte damals 50 Kilo Übergewicht, wie ein Anwalt sagte), unattraktiv (einer seiner Partner beschrieb
     ihn als Frosch) und guten Umgangsformen gegenüber gleichgültig (er furzte in der Öffentlichkeit und fuchtelte mit seiner Zigarre
     vor dem Gesicht seiner Gesprächspartner herum, ohne sich zu entschuldigen). Doch Freund und Feind waren sich einig, dass er
     einen unübertroffenen Siegeswillen hatte und meisterlich auftrat.
    Auch die feinen Kanzleien riefen bei Flom an, wenn ein Corporate Raider zum Angriff auf einen ihrer Klienten ansetzte. Sie
     selbst

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