Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht
Maßanzügen
von Brooks Brothers, und im Sommer trug er einen Strohhut. Außerdem fuhr er ein großes Auto. Er heiratete die hübsche Lillian
Levantin, die Tochter eines prominenten Talmudgelehrten, und die Familie zog in den vornehmeren Stadtteil Queens. Schließlich
übernahmen er und sein Partner einen Schreibwarenhersteller, der ein Vermögen abzuwerfen versprach.
Nach außen hin wirkte er ganz wie ein Mann, der als Rechtsanwalt in New York Erfolg haben würde. Er war intelligent und gebildet,
kam aus einer Familie, die die Spielregeln des Systems kannte und lebte in der dynamischsten Wirtschaftsmetropole der Welt.
Doch seltsamerweise blieb der Erfolg aus. Maurice Janklows Karriere entwickelte sich nicht wie erhofft. Er selbst meinte,
er habe es nie über Court Street in Brooklyn hinaus geschafft, so sehr er auch rackerte und strampelte.
Maurice Janklow hatte jedoch einen Sohn namens Mort, der ebenfalls Rechtsanwalt wurde, und dessen Geschichte vollkommen anders
verlief als die seines Vaters. Mort Janklow baute in den Sechzigerjahren seine eigene Kanzlei auf und gründete eine der ersten
Kabelfernsehgesellschaften, die er schließlich für ein Vermögen an Cox Broadcasting verkaufte. In den Siebzigerjahren gründete
er eine literarische Agentur, die heute zu den angesehensten der Welt zählt. 16 Er fliegt im Privatjet. Sämtliche Träume, die dem Vater verwehrt blieben, gingen für den Sohn in Erfüllung.
Warum hatte Mort Janklow Erfolg und Maurice Janklow nicht? Es gibt natürlich Hunderte möglicher Antworten auf diese Frage.
Aber lassen wir uns von unserer Analyse der Industriemagnaten aus den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts und der Geschichte
der Softwareentwickler des Jahres 1955 inspirieren und betrachten wir die Unterschiede zwischen beiden Janklows vor dem Hintergrund |119| ihrer jeweiligen Generation. Gibt es möglicherweise so etwas wie ein perfektes Geburtsjahr für einen jüdischen New Yorker
Anwalt? Das gibt es in der Tat, und der Faktor, der den Erfolg von Mort Janklow erklärt, ist auch der zweite Schlüssel zu
Joe Floms Erfolg.
6.
Die im vorigen Kapitel vorgestellte Geniestudie von Lewis Terman ging der Frage nach, wie sich zwischen 1903 und 1917 geborene
Kinder mit außergewöhnlich hohem Intelligenzquotienten als Erwachsene entwickelten. Terman kam zu dem Schluss, dass es eine
Gruppe von Erfolgreichen und eine Gruppe von Versagern gab und dass die Erfolgreichen mit großer Wahrscheinlichkeit aus den
wohlhabenderen Familien kamen. Termans Studie bestätigt damit die These von Annette Lareau, nach der es eine ausschlaggebende
Rolle spielt, wie die Eltern eines Kindes ihren Lebensunterhalt verdienen und welche Weltsicht das gesellschaftliche Milieu
vertritt, dem sie angehören.
Es gibt allerdings noch eine zweite Möglichkeit, Termans Ergebnisse aufzuschlüsseln, nämlich nach dem Geburtsjahr der Termiten.
Wenn wir die Termiten nämlich in zwei Gruppen einteilen, die zwischen 1903 und 1911 und die zwischen 1912 und 1917 Geborenen,
dann erkennen wir, dass die Versager mit größerer Wahrscheinlichkeit aus der ersten Gruppe stammen.
Die Erklärung für dieses Phänomen hängt eng mit zwei katastrophalen Ereignissen des 20. Jahrhunderts zusammen: der Weltwirtschaftskrise
und dem Zweiten Weltkrieg. Als die nach 1912 Geborenen die Universität verließen, war die Wirtschaftskrise weitgehend ausgestanden,
und die Einberufung zur Armee traf sie in einem Alter, in dem eine Abwesenheit von drei oder vier Jahren eher eine Chance
darstellte als eine Unterbrechung (vorausgesetzt natürlich, sie kamen nicht im Krieg ums Leben).
Die Termiten, die vor 1911 geboren wurden, verließen die Universität auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise, als es kaum |120| Arbeitsplätze gab. Als der Zweite Weltkrieg die Vereinigten Staaten erreichte, waren sie bereits Ende 30, das heißt, ihre
Einberufung unterbrach ihre berufliche Laufbahn und Familiengründung. Die vor 1911 Geborenen hatten Pech, denn die verheerenden
Ereignisse des 20. Jahrhunderts trafen sie genau zum falschen Zeitpunkt.
Diese demografische Logik trifft natürlich auch auf Maurice Janklow und andere jüdische Rechtsanwälte aus New York zu. Da
ihnen die Türen der großen Kanzleien verschlossen blieben, eröffneten sie ihre eigenen kleinen Büros und verlegten sich auf
Testamente, Scheidungen, Verträge und kleinere Rechtsstreitigkeiten, doch während der Weltwirtschaftskrise brach dieser
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