Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht

Titel: Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
Vom Netzwerk:
rührten solche Fälle nicht an, doch sie gaben sie nur zu gern an Skadden, Arps weiter. »In der Anfangszeit waren Floms
     Spezialität die Stimmrechtskämpfe, und so etwas übernahmen wir nicht, genauso wenig wie wir Scheidungsfälle übernahmen«, erzählt
     Robert Rifkind, langjähriger Partner bei Cravath, Swaine and Moore. »Daher wollten wir auch nicht damit in Verbindung gebracht
     werden. Ich erinnere mich an den Fall einer Stimmrechtsauseinandersetzung. Einer der Geschäftsführer sagte, warum fragen wir
     nicht Joe. Wir haben uns im Konferenzraum getroffen, ihm die Lage auseinandergesetzt und Joe hat uns erklärt, was wir zu tun
     hätten. Nachdem er wieder gegangen war, habe ich gesagt: ›Das können wir übernehmen.‹ Und die Partner haben geantwortet, ›Nein,
     nein, nein, auf gar keinen Fall. Das übernehmen wir nicht.‹ So etwas haben wir eben einfach nicht gemacht.«
    Mit Beginn der Siebzigerjahre schwand die alte Abneigung gegen Gerichtsverfahren. Die Möglichkeiten der Kreditaufnahme wurden
     verbessert, die staatlichen Regulierungen gelockert, die Märkte |116| internationaler und die Investoren immer aggressiver. Das Ergebnis war ein Boom der feindlichen Unternehmensübernahmen. »Wenn
     Sie im Jahr 1980 eine Umfrage unter den Mitgliedern des Business Roundtable [des Unternehmerverbands der Vereinigten Staaten]
     durchgeführt hätten, ob feindliche Übernahmen gesetzlich zulässig sein sollten oder nicht, dann hätten zwei Drittel mit Nein
     geantwortet«, sagt Flom. »Heute wäre die Antwort ein fast einstimmiges Ja.« Unternehmen mussten sich gegen Anklagen durch
     die Konkurrenz wehren, und Corporate Raiders 14 mussten abgewehrt werden. Investoren, die unwillige Unternehmen verschlingen wollten, benötigten Unterstützung bei der Entwicklung
     ihrer juristischen Strategie. Und die Aktionäre benötigten professionellere Vertreter. Es ging um gewaltige Summen. Von Mitte
     der Siebziger- bis Ende der Achtzigerjahre stieg das Volumen der jährlichen Unternehmenszusammenschlüsse und -übernahmen an
     der Wall Street um
2 000 Prozent
auf heute knapp eine Viertelbillion Dollar.
    Mit einem Mal rissen sich alle um das Geschäft, das die alteingesessenen Kanzleien so lange verschmäht hatten: feindliche
     Übernahmen und Prozesse. Und wer waren die Experten auf diesen beiden plötzlich so entscheidenden Gebieten? Die einstmals
     zweitklassigen Kanzleien, die von Leuten gegründet worden waren, die zehn oder fünfzehn Jahre zuvor keinen Job in den Firmen
     der Wall Street gefunden hatten.
    »Die feinen Kanzleien meinten lange, feindliche Übernahmen seien unter ihrer Würde. Sie sind erst ziemlich spät darauf gekommen,
     dass da vielleicht auch ein Geschäft zu machen war. Dann haben sie mich in Ruhe gelassen«, berichtet Flom. »Aber wenn Sie
     sich auf diesem Gebiet einen Namen gemacht haben, dann kommt das Geschäft zuerst zu Ihnen.«
    Merken Sie, wie sehr diese Geschichte der von Bill Joy und Bill Gates ähnelt? Beide Programmierer waren auf einem relativ
     exotischen |117| Gebiet tätig, ohne sich allzu viel Hoffnung auf wirtschaftlichen Erfolg machen zu können. Dann begann mit einem Schlag die
     PC-Revolution, sie hatten ihre 10 000 Stunden Praxiserfahrung und waren bereit. Flom erging es ganz ähnlich. Zwanzig Jahre
     lang hatte er sein Handwerk bei Skadden, Arps gelernt. Plötzlich veränderte sich die Welt, und er war bereit. Er triumphierte
     nicht etwa über ein feindliches Umfeld, im Gegenteil: Das einstige feindliche Umfeld wurde seine große Chance.
    »Diese Jungs waren als Anwälte auch nicht besser als alle anderen«, meint Rifkind. »Sie hatten nur Fähigkeiten, die sie sich
     über Jahre hinweg angeeignet hatten und die mit einem Mal sehr wertvoll waren.« 15
    Lektion 2: Demografisches Glück
    5.
    Maurice Janklow schrieb sich im Jahr 1919 an der juristischen Fakultät der Universität von Brooklyn ein. Er war der älteste
     Sohn jüdischer Einwanderer aus Rumänien. Von seinen sechs Geschwistern wurde einer Leiter eines kleinen Kaufhauses in Brooklyn,
     zwei verkauften Herrenmoden, einer arbeitete als Grafiker, einer stellte Federhüte her und ein weiterer arbeitete in der Finanzabteilung
     der Immobilienfirma Tishman.
    Maurice war der Intellektuelle der Familie und der Einzige, der die Universität besuchte. Nach Abschluss seines Studiums eröffnete |118| er eine Anwaltskanzlei in der Court Street im Zentrum von Brooklyn. Er war ein eleganter Herr mit Homburger und

Weitere Kostenlose Bücher