Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht
rührten solche Fälle nicht an, doch sie gaben sie nur zu gern an Skadden, Arps weiter. »In der Anfangszeit waren Floms
Spezialität die Stimmrechtskämpfe, und so etwas übernahmen wir nicht, genauso wenig wie wir Scheidungsfälle übernahmen«, erzählt
Robert Rifkind, langjähriger Partner bei Cravath, Swaine and Moore. »Daher wollten wir auch nicht damit in Verbindung gebracht
werden. Ich erinnere mich an den Fall einer Stimmrechtsauseinandersetzung. Einer der Geschäftsführer sagte, warum fragen wir
nicht Joe. Wir haben uns im Konferenzraum getroffen, ihm die Lage auseinandergesetzt und Joe hat uns erklärt, was wir zu tun
hätten. Nachdem er wieder gegangen war, habe ich gesagt: ›Das können wir übernehmen.‹ Und die Partner haben geantwortet, ›Nein,
nein, nein, auf gar keinen Fall. Das übernehmen wir nicht.‹ So etwas haben wir eben einfach nicht gemacht.«
Mit Beginn der Siebzigerjahre schwand die alte Abneigung gegen Gerichtsverfahren. Die Möglichkeiten der Kreditaufnahme wurden
verbessert, die staatlichen Regulierungen gelockert, die Märkte |116| internationaler und die Investoren immer aggressiver. Das Ergebnis war ein Boom der feindlichen Unternehmensübernahmen. »Wenn
Sie im Jahr 1980 eine Umfrage unter den Mitgliedern des Business Roundtable [des Unternehmerverbands der Vereinigten Staaten]
durchgeführt hätten, ob feindliche Übernahmen gesetzlich zulässig sein sollten oder nicht, dann hätten zwei Drittel mit Nein
geantwortet«, sagt Flom. »Heute wäre die Antwort ein fast einstimmiges Ja.« Unternehmen mussten sich gegen Anklagen durch
die Konkurrenz wehren, und Corporate Raiders 14 mussten abgewehrt werden. Investoren, die unwillige Unternehmen verschlingen wollten, benötigten Unterstützung bei der Entwicklung
ihrer juristischen Strategie. Und die Aktionäre benötigten professionellere Vertreter. Es ging um gewaltige Summen. Von Mitte
der Siebziger- bis Ende der Achtzigerjahre stieg das Volumen der jährlichen Unternehmenszusammenschlüsse und -übernahmen an
der Wall Street um
2 000 Prozent
auf heute knapp eine Viertelbillion Dollar.
Mit einem Mal rissen sich alle um das Geschäft, das die alteingesessenen Kanzleien so lange verschmäht hatten: feindliche
Übernahmen und Prozesse. Und wer waren die Experten auf diesen beiden plötzlich so entscheidenden Gebieten? Die einstmals
zweitklassigen Kanzleien, die von Leuten gegründet worden waren, die zehn oder fünfzehn Jahre zuvor keinen Job in den Firmen
der Wall Street gefunden hatten.
»Die feinen Kanzleien meinten lange, feindliche Übernahmen seien unter ihrer Würde. Sie sind erst ziemlich spät darauf gekommen,
dass da vielleicht auch ein Geschäft zu machen war. Dann haben sie mich in Ruhe gelassen«, berichtet Flom. »Aber wenn Sie
sich auf diesem Gebiet einen Namen gemacht haben, dann kommt das Geschäft zuerst zu Ihnen.«
Merken Sie, wie sehr diese Geschichte der von Bill Joy und Bill Gates ähnelt? Beide Programmierer waren auf einem relativ
exotischen |117| Gebiet tätig, ohne sich allzu viel Hoffnung auf wirtschaftlichen Erfolg machen zu können. Dann begann mit einem Schlag die
PC-Revolution, sie hatten ihre 10 000 Stunden Praxiserfahrung und waren bereit. Flom erging es ganz ähnlich. Zwanzig Jahre
lang hatte er sein Handwerk bei Skadden, Arps gelernt. Plötzlich veränderte sich die Welt, und er war bereit. Er triumphierte
nicht etwa über ein feindliches Umfeld, im Gegenteil: Das einstige feindliche Umfeld wurde seine große Chance.
»Diese Jungs waren als Anwälte auch nicht besser als alle anderen«, meint Rifkind. »Sie hatten nur Fähigkeiten, die sie sich
über Jahre hinweg angeeignet hatten und die mit einem Mal sehr wertvoll waren.« 15
Lektion 2: Demografisches Glück
5.
Maurice Janklow schrieb sich im Jahr 1919 an der juristischen Fakultät der Universität von Brooklyn ein. Er war der älteste
Sohn jüdischer Einwanderer aus Rumänien. Von seinen sechs Geschwistern wurde einer Leiter eines kleinen Kaufhauses in Brooklyn,
zwei verkauften Herrenmoden, einer arbeitete als Grafiker, einer stellte Federhüte her und ein weiterer arbeitete in der Finanzabteilung
der Immobilienfirma Tishman.
Maurice war der Intellektuelle der Familie und der Einzige, der die Universität besuchte. Nach Abschluss seines Studiums eröffnete |118| er eine Anwaltskanzlei in der Court Street im Zentrum von Brooklyn. Er war ein eleganter Herr mit Homburger und
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