Ueberflieger
mit Anfang 20 den Status eines Experten erreichte, war nahezu ausgeschlossen. Wenn Sie in jeder Stunde, die Sie im Computerraum zubringen, nur ein paar Minuten lang tatsächlich programmieren können, wie sollen Sie dann auf Ihre 10 000 Stunden kommen? Ein Computerwissenschaftler aus dieser Zeit erinnert sich: »Mit den Lochkarten hat man nicht Programmieren gelernt, sondern Geduld und Korrekturlesen.«
Erst Mitte der Sechzigerjahre zeichnete sich eine Lösung für das Programmierproblem ab. Computer waren endlich leistungsstark genug, um mehr als einen »Termin« gleichzeitig wahrzunehmen. Experten erkannten, dass mithilfe eines überarbeiteten Betriebssystems mehrere Nutzer gleichzeitig an einem Rechner arbeiten konnten. Der Computer konnte lernen, Hunderte Operationen gleichzeitig auszuführen. Das bedeutete auch, dass die Programmierer nicht mehr mit ihren Kartenstapeln zu einem Administrator gehen mussten. Es konnten Dutzende Terminals eingerichtet werden, die über Telefon mit dem Mainframe-Computer in Verbindung standen, und die Programmierer konnten gleichzeitig »online« arbeiten.
Ein Autor beschreibt die Erfindung des Mehrbenutzersystems so:
|44| Es war mehr als eine Revolution. Es war eine Erleuchtung. Vergessen waren der Administrator, die Kartenstapel und die Warterei. Dank der Multiuser-Systeme saßen Sie an Ihrem Terminal, gaben ein paar Befehle ein und bekamen sofort eine Antwort. Das Multiuser-System war interaktiv: Ein Programm konnte eine Eingabe abfragen, auf eine Antwort warten, die Berechnung ausführen und Ihnen die Antwort ausspucken, alles in »Echtzeit«.
Hier kommt Michigan ins Spiel, denn Michigan war eine der ersten Universitäten, die auf das Mehrbenutzersystem umstellte. Im Jahr 1967 hatte sie einen Prototyp installiert. Anfang der Siebzigerjahre hatte die Universität so viel Rechenleistung, dass mehr als einhundert Teilnehmer gleichzeitig im Computerzentrum arbeiten konnten. »Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre gab es kaum einen Ort, der die Möglichkeiten von Michigan bot«, berichtet Mike Alexander, einer der IT-Pioniere der University of Michigan. »Daneben gab es vielleicht noch das MIT, Carnegie Mellon oder Dartmouth. Aber ich glaube, das war’s auch schon.«
Dies war die Möglichkeit, die sich Bill Joy bot, als er im Herbst 1971 auf dem Campus von Ann Arbor ankam. Er hatte sich nicht wegen des Computerzentrums für die University of Michigan entschieden. In der Schule hatte er nichts mit Computern zu tun gehabt. Er hatte sich für Mathematik und Ingenieurwesen interessiert. Doch als ihn in seinem ersten Jahr an der Universität der Computerbazillus erfasste, befand er sich durch einen glücklichen Zufall an einem der wenigen Orte der Welt, an dem ein 17-Jähriger nach Herzenslust programmieren konnte.
»Wissen Sie, was der Unterschied zwischen Programmieren mit Lochkarten und Programmieren in einem Mehrbenutzersystem ist?«, fragt Joy. »Dasselbe wie der Unterschied zwischen Briefschach und Blitzschach.« Programmieren war keine frustrierende Übung mehr. Programmieren machte Spaß.
»Ich habe in einem Wohnheim auf dem Nordcampus gewohnt, und das Computerzentrum war ebenfalls auf dem Nordcampus«, erzählt er weiter. »Wie viel Zeit ich da verbracht habe? Oh, viel, sehr |45| viel. Das Computerzentrum war rund um die Uhr geöffnet. Ich war oft die ganze Nacht da und bin erst morgens nach Hause. In einer normalen Woche habe ich damals mehr Zeit im Computerzentrum verbracht als mit meinen Kursen. Wir hatten alle diesen Albtraum, dass wir völlig vergessen würden, unsere Kurse zu besuchen, oder dass wir vergessen würden, dass wir überhaupt eingeschrieben waren.«
Er berichtet weiter: »Das Problem war, dass die Universität allen Studierenden ein Konto mit einem festen Betrag gegeben hat und die Zeit irgendwann abgelaufen ist. Beim Einloggen musste man angeben, wie lange man am Computer arbeiten wollte. Dann hat man, sagen wir, eine Stunde bekommen. Das war’s. Aber irgendjemand ist dahintergekommen, dass man beim Eingeben der Zeit einfach einen Buchstaben tippen konnte, also zum Beispiel ›t = k‹, und dann hat es nichts gekostet.« Er lacht, als er sich daran erinnert. » Es war ein Programmierfehler. Wenn man ›t = k‹ eingegeben hat, konnte man da ewig sitzen.«
Sehen Sie sich nur an, wie viele Chancen Bill Joy bekam. Weil er das Glück hatte, an einer zukunftsorientierten Hochschule wie der University of Michigan zu studieren, programmierte er
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