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Ueberflieger

Titel: Ueberflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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nicht mit Lochkarten, sondern mit einem Mehrbenutzersystem; weil das System einen Fehler hatte, konnte er so viel programmieren, wie er wollte; weil die Universität bereit war, das Computerzentrum rund um die Uhr zu öffnen, konnte er die ganze Nacht hindurch programmieren; und weil er so viele Übungsstunden einlegen konnte, war er vorbereitet, als er die Möglichkeit bekam, UNIX zu überarbeiten. Bill Joy war genial. Er wollte lernen. Das spielte sicher eine wichtige Rolle. Doch ehe er ein Experte war, musste ihm jemand die Chance geben, genug zu lernen, um ein Experte zu
werden
.
    »In Michigan habe ich wahrscheinlich acht bis zehn Stunden pro Tag programmiert«, fährt er fort. »In Berkeley habe ich dann Tag und Nacht gearbeitet. Ich hatte mein eigenes Terminal zu Hause. Ich bin bis zwei oder drei Uhr morgens aufgeblieben, habe alte Filme geschaut und dabei programmiert. Manchmal bin ich über |46| der Tastatur eingeschlafen.« Er tut so, als würde sein Kopf nach vorn kippen. »Kennen Sie das, wenn die Taste den Anschlag wiederholt, bis der Cursor am Zeilenende ankommt und es piep-pieppiep macht? Wenn das dreimal passiert, müssen Sie ins Bett. Als ich nach Berkeley kam, hatte ich noch relativ wenig Ahnung. Im zweiten Jahr dort war ich dann gut. Damals habe ich Programme geschrieben, die noch heute verwendet werden, 30 Jahre später.« Er macht eine Pause und rechnet im Kopf, wofür jemand wie Bill Joy nicht allzu viel Zeit braucht. Michigan 1971. Ernsthaftes Programmieren ab dem zweiten Jahr. Dazu die Sommerferien, dann Tag und Nacht im ersten Jahr in Berkeley. »Vielleicht … 10 000 Stunden? Das könnte ungefähr hinkommen.«
    4.
    Ist die 10 000-Stunden-Regel so etwas wie ein Naturgesetz des Erfolges? Begegnen wir in der Geschichte erfolgreicher Menschen immer einem Computerzentrum oder einer Auswahlmannschaft – einer besonderen Möglichkeit zum Üben?
    Sehen wir uns zwei weitere Beispiele an und wählen wir dazu der Einfachheit halber zwei möglichst bekannte Geschichten: die Beatles, die berühmteste Popgruppe aller Zeiten, und Bill Gates, einen der reichsten Männer der Welt.
    Die Beatles – John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr – unternahmen im Februar 1964 ihre erste USA-Tournee. Damit läuteten sie die sogenannte britische Invasion des amerikanischen Musikmarktes ein und veröffentlichten eine Serie von Nummer-1-Hits, mit denen sie die Popmusik revolutionierten.
    Das Erste, was die Beatles in unserem Zusammenhang interessant macht, ist die Zeit vor ihrem internationalen Durchbruch. Lennon und McCartney waren 1957 zum ersten Mal zusammen aufgetreten, also sieben Jahre vor ihrer USA-Tournee. (Interessanterweise liegen zwischen der Gründung der Band |47| und der Veröffentlichung der künstlerisch vermutlich bedeutendsten Alben
Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band
und dem
White Album
zehn Jahre.) Und wenn wir uns diesen langen Zeitraum der Vorbereitung ansehen, stoßen wir auf eine Erfahrung, die Ihnen vor dem Hintergrund der Geschichten über die Eishockeyspieler, Bill Joy und die Weltklasseviolinisten sehr vertraut vorkommen dürfte. Im Jahr 1960, als sie noch eine unbekannte Schülerband waren, bekamen sie nämlich die Möglichkeit, in Hamburg aufzutreten.
    »In Hamburg gab es damals keine Rock’n’Roll-Clubs. Es gab Nachtclubs«, erzählt Philip Norman, Autor der Beatles-Biografie
Shout!.
»Einer der Nachtclubbesitzer war ein gewisser Bruno, der ursprünglich aus dem Kirmesgeschäft kam. Er kam auf die Idee, in verschiedenen seiner Clubs Rock’n’Roll-Bands auftreten zu lassen. Das Rezept war immer dasselbe. Es war eine Nonstop-Striptease-Show, die stundenlang lief, während das Publikum rein- und rausging. Und die Bands spielten ununterbrochen, um die Passanten in den Club zu locken.«
    Norman fährt fort: »Viele der Bands, die in Hamburg auftraten, kamen aus Liverpool. Das war Zufall. Bruno war nach London gefahren, um sich nach Bands umzuschauen. In Soho hatte er dann aber einen Unternehmer aus Liverpool kennengelernt, der zufällig zu Besuch in London war. Und der hatte ihm versprochen, ein paar Bands rüberzuschicken. So kam die Verbindung zustande. In Hamburg knüpften die Beatles dann Kontakte zu anderen Nachtclubbesitzern. Sie kamen immer wieder, denn es gab jede Menge Alkohol und Sex.«
    Aber was reizte die Beatles an Hamburg? Die Bezahlung kann es nicht gewesen sein, denn die war schlecht. Auch die Akustik kann kaum ein Anreiz gewesen sein, denn die war

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