Ueberflieger
bekannt. Als Reaktion auf die Probleme der Wirtschaftskrise |122| bekamen die Familien keine Kinder mehr, weshalb die Generation der in den Dreißigerjahren Geborenen deutlich kleiner ist als die vorangegangene und die unmittelbar nachfolgende.
|122| Der Wirtschaftswissenschaftler H. Scott Gordon beschrieb, warum es von Vorteil ist, in einer demografischen Delle geboren zu werden:
Wenn er zum ersten Mal die Augen öffnet, befindet er sich in einem weitläufigen Krankenhaus, das für die geburtenstarken Jahrgänge ausgelegt ist, die ihm vorangingen. Ärzte und Schwestern nehmen sich Zeit, da ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als die kurze Atempause vor der nächsten Welle auszusitzen. Wenn er eingeschult wird, erwarten ihn großartige Gebäude, und eine vielköpfige Lehrerschaft begrüßt ihn mit offenen Armen. Die Basketballmannschaft seiner High School ist vielleicht nicht mehr so gut wie früher, dafür gibt es jetzt auch nicht mehr das Problem, dass die Halle dauernd besetzt ist. Die Universität ist ein Genuss: Die Klassenzimmer und Studentenwohnheime bieten ausreichend Platz, die Schlangen in der Mensa sind kurz, die Professoren nehmen sich Zeit für ihn. Schließlich kommt er auf den Arbeitsmarkt. Das Angebot an Berufseinsteigern ist gering, dafür ist der Bedarf umso größer, denn hinter ihm kommt bereits eine neue Welle nach, weshalb die Gütern und Dienstleistungen seiner potenziellen Arbeitgeber stark nachgefragt werden.
In New York waren die Anfang der Dreißigerjahre geborenen Kohorten so klein, dass die Schulklassen nur noch halb so groß waren wie 25 Jahre zuvor. Die Schulen waren neu und auf die geburtenstarken Jahrgänge der Vorjahre ausgelegt, der Lehrerberuf genoss während der Weltwirtschaftskrise großes Ansehen.
»Die staatlichen New Yorker Schulen galten in den Vierzigerjahren als die besten des ganzen Landes«, erklärt Diane Ravitch, die an der New York University unterrichtet und sich intensiv mit der Geschichte des Bildungssystems der Stadt beschäftigt hat. »In den Dreißiger- und Vierzigerjahren unterrichteten Lehrer an den Schulen, die in einer anderen Epoche vermutlich an einer Universität gearbeitet hätten. Es waren brillante Akademiker, doch da sie |123| anderswo keine Arbeit fanden, gingen sie an die Schulen, die ihnen ein sicheres Gehalt, Rente und Kündigungsschutz boten.«
Als diese Generation an die Universität kam, profitierte sie von derselben Dynamik. Ted Friedman, einer der angesehensten New Yorker Prozessanwälte der Siebziger- und Achtzigerjahre, der wie Flom als Kind armer jüdischer Einwanderer aufwuchs, erinnert sich: »Ich hatte die Wahl zwischen dem City College und der University of Michigan.« Das City College war kostenlos, und Michigan, damals wie heute eine der Spitzenuniversitäten der Vereinigten Staaten, kostete 450 Dollar pro Jahr. »Aber wenn man gute Noten hatte, konnte man nach dem ersten Jahr ein Stipendium bekommen. Wenn ich gut war, musste ich also nur das erste Jahr bezahlen.« Friedman wollte zunächst in New York bleiben. »Ich bin einen Tag lang aufs City College gegangen, aber es hat mir nicht gefallen. Ich dachte, das ist wie vier weitere Jahre Bronx Science [Friedmans High School], bin nach Hause gegangen, habe meine Sachen gepackt und bin nach Ann Arbor getrampt.« Er erzählt weiter:
Von meinem Ferienjob hatte ich noch 200 Dollar in der Tasche. Ich hatte in den Catskill Mountains gearbeitet, um mir die 450 Dollar Studiengebühren zu verdienen, und hatte Geld übrig. In einem teuren Restaurant in Ann Arbor habe ich einen Kellnerjob bekommen. Ich habe auch in den Ford-Werken in River Rouge Nachtschicht gearbeitet. Das war richtiges Geld. Es war nicht sonderlich schwer, den Job zu bekommen. Die Fabriken haben händeringend Leute gesucht. Ich hatte auch noch einen anderen Job, den am besten bezahlten vor meiner Zeit als Anwalt, und das war ein Job auf dem Bau. Im Sommer haben wir in Ann Arbor das Testgelände für Chrysler gebaut. Während des Jurastudiums habe ich ein paar Mal in den Sommerferien da gearbeitet. Die Arbeit war wirklich gut bezahlt, vermutlich wegen der vielen Überstunden.
Sehen wir uns diese Geschichte einmal genauer an. Zunächst einmal können wir aus ihr lernen, dass Friedman bereit war, hart zu arbeiten, Verantwortung für sich zu übernehmen und für seine Ausbildung selbst aufzukommen. Vielleicht noch wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass er in einer Zeit lebte, in der es
möglich
war, hart zu arbeiten und
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