Ueberflieger
nach der es eine ausschlaggebende Rolle spielt, wie die Eltern eines Kindes ihren Lebensunterhalt verdienen und welche Weltsicht das gesellschaftliche Milieu vertritt, dem sie angehören.
Es gibt allerdings noch eine zweite Möglichkeit, Termans Ergebnisse aufzuschlüsseln, nämlich nach dem Geburtsjahr der Termiten. Wenn wir die Termiten nämlich in zwei Gruppen einteilen, die zwischen 1903 und 1911 und die zwischen 1912 und 1917 Geborenen, dann erkennen wir, dass die Versager mit größerer Wahrscheinlichkeit aus der ersten Gruppe stammen.
Die Erklärung für dieses Phänomen hängt eng mit zwei katastrophalen Ereignissen des 20. Jahrhunderts zusammen: der Weltwirtschaftskrise und dem Zweiten Weltkrieg. Als die nach 1912 Geborenen die Universität verließen, war die Wirtschaftskrise weitgehend ausgestanden, und die Einberufung zur Armee traf sie in einem Alter, in dem eine Abwesenheit von drei oder vier Jahren eher eine Chance darstellte als eine Unterbrechung (vorausgesetzt natürlich, sie kamen nicht im Krieg ums Leben).
Die Termiten, die vor 1911 geboren wurden, verließen die Universität auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise, als es kaum |120| Arbeitsplätze gab. Als der Zweite Weltkrieg die Vereinigten Staaten erreichte, waren sie bereits Ende 30, das heißt, ihre Einberufung unterbrach ihre berufliche Laufbahn und Familiengründung. Die vor 1911 Geborenen hatten Pech, denn die verheerenden Ereignisse des 20. Jahrhunderts trafen sie genau zum falschen Zeitpunkt.
Diese demografische Logik trifft natürlich auch auf Maurice Janklow und andere jüdische Rechtsanwälte aus New York zu. Da ihnen die Türen der großen Kanzleien verschlossen blieben, eröffneten sie ihre eigenen kleinen Büros und verlegten sich auf Testamente, Scheidungen, Verträge und kleinere Rechtsstreitigkeiten, doch während der Weltwirtschaftskrise brach dieser Markt weitgehend zusammen. »Mehr als die Hälfte aller im Stadtbezirk zugelassenen Anwälte verdiente weniger als das für den Unterhalt einer amerikanischen Familie erforderliche Minimum«, schrieb Jerold Auerbach über die Jahre der Wirtschaftskrise in New York. »Ein Jahr später mussten 1 500 Anwälte einen Offenbarungseid ablegen, um Armenhilfe zu erhalten. Jüdische Anwälte (etwa die Hälfte der in New York zugelassenen Anwälte) mussten erkennen, dass ihre Kanzlei nicht mehr war als ein ›würdevoller Weg in den Hunger‹.« Gleichgültig wie lange ihr Büro bereits bestand, ihr Einkommen lag »deutlich unter« dem ihrer christlichen Kollegen. Maurice Janklow wurde im Jahr 1902 geboren. Zu Beginn der Wirtschaftskrise war er frisch verheiratet, er hatte sich kürzlich ein neues Auto zugelegt, war nach Queens gezogen und hatte den Schreibwarenhersteller gekauft. Sein Timing hätte nicht schlechter sein können.
»Er hätte ein Vermögen verdienen können«, meint Mort Janklow. »Aber die Wirtschaftskrise hat ihm wirtschaftlich das Genick gebrochen. Er hatte keine Ersparnisse und keine Familie, die ihn unterstützen konnte. Von da an war er mehr Schreiber als Anwalt. Er hat später nicht mehr den Mut aufgebracht, neue Risiken einzugehen. Es war einfach zu viel für ihn. Gegen eine Gebühr von 25 Dollar hat er Kaufverträge abgeschlossen. Er hatte einen Freund bei der Jamaica Savings Bank, der ihm gelegentlich Aufträge zukommen ließ. Für die 25 Dollar hat er sich fast umgebracht, den |121| Vertrag ausgearbeitet und sämtliche notariellen Formalitäten erledigt. Für 25 Dollar!«
»Ich erinnere mich an Gespräche, die mein Vater und meine Mutter morgens geführt haben«, erzählt Janklow weiter. »Er hat zu ihr gesagt, ›Ich habe einen Dollar fünfundsiebzig. Davon brauche ich zehn Cent für den Bus, zehn für die U-Bahn und einen Vierteldollar fürs Mittagessen.‹ Den Rest hat er meiner Mutter gegeben. So nah waren wir am Abgrund.«
7.
Betrachten wir nun zum Vergleich die Erfahrung von jemandem, der wie Mort Janklow in den Dreißigerjahren zur Welt kam.
Sehen wir uns aber zunächst die folgende Tabelle mit den Geburtenzahlen der Vereinigten Staaten zwischen 1910 und 1950 an. Im Jahr 1915 kamen knapp 3 Millionen Kinder zur Welt. Bis zum Jahr 1935 ging diese Zahl um 600 000 zurück und stieg dann innerhalb der kommenden anderthalb Jahrzehnte wieder auf mehr als 3 Millionen an. Im Jahr 1915 kamen auf 1 000 Amerikaner 29,5 Geburten; im Jahr 1935 waren es 18,7, und im Jahr 1950 waren es 24,1. Dieses Phänomen aus den Dreißigerjahren ist als »demografische Delle«
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