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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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sein Zorn war verraucht, und das Essen schmeckte.
    Mutter und ich wissen schon, wie wir den Hausfrieden retten. Wenn der Vater wirklich von mir und dem Kaplan erfährt, werde ich ihn schon beruhigen.
    Neben dem rechten Rundturm des Rheintors wuchs die Büdericher Burg des Herzogs aus der Stadtmauer, Ziegelsteine wie die Mauer, eine schlichte Burg, nur noch selten wohnte der Herzog hier.
    Ohne Hast glitt Wendel vom Rücken der Stute und führte sie gemächlich auf das Tor zu. Längst hatten die Wachen sie bemerkt, kein Lachen, ihre Gesichter erwarteten sie stumm. »Ich bin das Riesenweib.« Wendel gab ihrer Stimme einen drohenden Klang: »Da oben kegele ich mit den Heiligen.« Als Antwort stierten die Posten auf den Boden, und kläglich versickerte der Scherz.
    Quälend lastete die Schwüle, bedrohlich der Ungetüme Himmel, und es wollte nicht regnen, das Licht war zwischen Tag und Dunkelheit stehen geblieben. Es galt ihr, das wusste Wendel, und nur, um dem Glimmen der Hoffnung Raum zu geben, fragte sie leise: »Feuer?«
    Keine Antwort. Nein, das Unheil betraf nicht die Bürger von Büderich. »Was ist geschehen? Sagt es doch.«
    Einer der Posten stieß die Stiefelspitze in den Staub. »Kein Brand. Geh heim, Wendel. Deine Mutter braucht dich.« Der andere murmelte: »Der Wagenmacher.«
    Wendel erlosch, nur die eine Fackel loderte auf. Sie ließ Aga zurück, die Stute würde den Weg allein finden. Wendel rannte, auf den Gassen schien jeder sie erwartet zu haben, wortlos machten die Leute ihr Platz, sie hetzte über den Markt, hetzte noch am Weinhaus vorbei, dann in der Zufahrt stockte Wendel. Die Torflügel waren aufgestoßen, im Hof standen die Nachbarn dicht beieinander und blickten zum Wohnhaus. Nur langsam schleppte sich Wendel weiter, so schwer waren die Füße, sie musste weiter zum offen stehenden Eingang, wie ein Schlund sog das dunkle Loch sie an. Während sie den Hof durchquerte, ertasteten ihre Augen Gesichter, die gleich wieder im Nebel versanken, den vornübergekippten Wagen nahm sie wahr wie ein Bild, das man flüchtig streift. Sie trat ins Haus, hörte die Mutter weinen, gedämpfte Stimmen sprachen. Wendel blieb in der Tür zum Wohnraum stehen.
    Auf dem niedrigen Holztisch lag er still, die Sohlen der Maulschuhe ragten vor ihr, er lag ohne Wams, nur im Arbeitszeug, sein Kopf war mit Nessel bedeckt, dunkle Flecken beschmutzten das Tuch. Die Mutter kauerte am Boden, sie weinte unter ihrem Schleier. In der Nähe des Ziegelherdes flüsterten zwei Nonnen mit dem Bader.
    Wendel schritt aufrecht zum Tisch, berührte seine Hand, sie ist nur kühl, dachte sie und fasste nach dem Tuch.
    »Nicht. Der Priester war schon da.« Beide Klosterfrauen eilten zu ihr und drängten sie zurück.
    »Ich muss ihm doch einen guten Tag wünschen«, begehrte sie auf, ohne sich wirklich zu wehren. Hilflos suchte sie den Blick des Baders.
    »Die Stütze muss weggerutscht sein. Er lag unter der Wagenachse.« Der Wundscher wiegte den Kopf. »Da ist nichts mehr.«
    Wendel schob die Nonnen zur Seite, ging zu dem Toten und hob das Tuch. Klage bis in die Ewigkeit.
    Diesen wehen Schmerz versiegelte sie und bewahrte ihn. Sorgfältig ordnete sie den Stoff zurück und fiel neben der Mutter auf die Knie, suchte ihre Hand und verbarg sie mit beiden Händen. Tränenlos schloss Wendel die Augen.
    Draußen im Hof wartete Aga ruhig vor der Werkstatt, bis jemand ihr den Korb abnahm, sie vom Geschirr befreite und in den Stall führte.
    Das Gewittergrollen verebbte. Auch am Abend regnete es nicht.
    *

» N ichts ist zu Ende, Mutter. Wenn du nicht kannst, ich kann es!« Wendel trug Schwarz wie die Mutter. Sie saßen an dem leeren Tisch, mit Sand hatten sie die Platte gescheuert, bis das Holz hell schimmerte. Wendel versuchte der Mutter neuen Mut zu geben, obwohl die eigene Ratlosigkeit sie niederdrückte. »Ich bin jetzt der Meister. Für ein Jahr werden wir mit den Gesellen die Werkstatt weiterführen, bis dahin weiß ich einen Weg für uns beide. Und wenn es schlecht kommt, dann bleiben uns immer noch die 20 Gulden aus der Erbrente.«
    Nur eine Woche lang hatten sie trauern dürfen, ohne an das Weiter denken zu müssen. Sie hatten das Tor der Hofstätte fest vor dem Trubel und Lärm des Jahrmarktes verschlossen. Doch seit drei Tagen kamen sie, als stünde jedem das Haus offen. Der erste Besucher war ein alter Freund des Vaters gewesen, ein Abgesandter des Rates.
    Er sprach Worte des Mitgefühls, sie tönten fremd und erreichten Wendel nicht. Nach

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