Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
Da ist heute Tanz.«
    Sie griff nach der Gabel, wollte die Arbeit zu Ende bringen und ließ die Forke wieder sinken. Bis in den Hals fühlte sie ihren Herzschlag. Nein, niemand war im Hof. Ich bin nur durcheinander. Und doch, die Stute hatte etwas gehört!
    »Bleib ganz ruhig!« Wachgeschreckt verließ Wendel den Stall. Der nach vorn gekippte Wagen stand noch am selben Platz, sonst war der Hof still. Das laute Pochen blieb und trieb sie zum Haus.
    In der Stube sprach ein Mann mit der Mutter. Wendel fasste nach dem Schnappriegel.
    »Das ist gottgefällig, Frau Meisterin«, hörte sie durch die Tür und zog die Hand zurück. Von irgendwo war ihr die Stimme noch im Ohr. »Du stiftest unserm Kloster die ganze Hofstätte, und wir setzen euch eine Leibrente aus, dir und deiner kleinen Tochter. Eine gute Rente, denn unser Kloster in Dorsten hat reiche Gönner.«
    Der Mönch vom Weseler Markt! Wendel presste die Hand auf den Mund. Seine Stimme, das Grinsen in dem selbstgefälligen Gesicht, der Nacken, die Kutte wölbte sich über dem Bauch.
    »Und wohin mit uns?« Nur schwach war die Mutter zu verstehen.
    »Nach Wesel, gleich vor die Stadt. Du wirst staunen, wie liebevoll ihr im Frauenkloster des heiligen Franziskus aufgenommen werdet. Keine Sorgen mehr, für alles wird gesorgt werden.«
    Wendel ballte die Fäuste. Dieser Kuttenschwengel will uns das letzte Hemd abschachern.
    »Was sagst du, gute Frau?«
    »Nie wird meine Tochter ins Kloster wollen. Auch ich fühl mich noch zu jung für den Schleier.«
    Einen Moment war nur sein feistes Lachen zu hören. »Natürlich, du hast Recht, gute Frau. Wo hatte ich nur meine Augen? Gut, gut. Ich werde sorgen, dass ihr im Frauenhaus aufgenommen werdet. Die Beginen sind tüchtige Laienschwestern und Gott so gefällig.«
    Wendel schlug auf den Schnappriegel und stieß die Tür auf. Der Mutter gegenüber saß der Mönch weit vorgebeugt am Tisch. Mitten auf der Holzplatte rieb er seine Finger in den Händen der trauernden Frau, hörte nicht auf damit.
    Aus müden Augen blickte die Mutter ihre Tochter an. »Wir bekommen eine Leibrente von den Franziskus-Brüdern aus Dorsten. Eine gute Rente.«
    Zorn und Vorsicht verschlossen Wendel den Mund, stumm ging sie bis zum Tisch. Der Mönch hob die Stirn. »Deine Tochter?« Wie ein Firmpate stand er auf, breitete die Arme weit. »Ich kenne dich doch?«
    Wendel antwortete nichts.
    In kleinen Schritten glitt er um die Holzplatte herum, griff mit der einen ihre Hand, ließ die andere an ihrem Rücken hinuntergleiten, dort ließ er sie. »Jung bist du, mein Kind.«
    Als brenne der Druck seiner Finger ihr ein Mal, und doch wagte es Wendel nicht, sich zu entziehen. »Für ein Kind zu alt, ehrwürdiger Vater.«
    »Und Witz hast du!« Seine Stirn glättete sich, die Augen wurden zu Punkten. »In Wesel. Du standest am Brunnen. Oh, diese Teufelsbrut!«
    »Ich fürchte mich nicht.«
    Sein Griff schmerzte. »Das solltest du aber, Weib.« Scharf schnitt die Stimme, er blähte die Wangen, bevor er samtweich lächelte, seine Augen suchten Wendels Gesicht.
    »Dieser Pestbeule, dem ach so gelehrten Meister Clarenbach. hat der Rat von Wesel den Hintern gezeigt. Seit drei Tagen, seit Maria Geburt, darf ihn jeder, der ihn in der Stadt antrifft, schlagen, stechen, ersäufen, ohne dass er Unrecht begeht.« Er ließ Wendel und fuhr auf die Mutter los. »Ist dein Mann so beerdigt worden, wie es die Kirche befiehlt?«
    Erschreckt nickte die Mutter.
    Wieder zu Wendel. »Wer hat die Messe gelesen?«
    »Der Kaplan.«
    »Wer?«
    »Johann Klopreis.«
    Groß richtete der Mönch sich auf. »Warum ausgerechnet der, dieser Vikar vom Altar des Sebastianus?«
    Nicht den Lehrer, schon gar nicht den Kaplan fürchte ich, dachte Wendel, vor dir habe ich Angst.
    »Antworte!«
    »Er wurde uns von Pfarrer Beust als Priester zugewiesen.« Wendel wunderte sich, wie glatt ihr die Lüge über die Lippen gekommen war. Sie selbst hatte nach dem Vikar gefragt, sie hatte um ihn gebeten und ihn angefleht, dem Vater den Weg zum Himmel zu ebnen, ohne Predigt, ohne ein aufrührerisches Wort, nur so, wie es die Heilige Kirche befiehlt.
    »Und die Seelenmesse?«
    Die Mutter wagte den Mönch nicht anzusehen, gequält, fast weinend, bat sie ihre Tochter: »Du hast sie doch bestellt?«
    »Und bezahlt!« Wendel sah ihm offen ins Gesicht.
    »Das ist gottgefällig.« Er legte seine Hand auf den Kopf der Witwe. »Verzeih meine Heftigkeit. Doch überall lauern die Verführer mit ihrer teuflischen Lehre, und es

Weitere Kostenlose Bücher