Uebergebt sie den Flammen
einer Atempause änderte er die Stimme und bot geschäftig seine Hilfe an. Natürlich könnte die Witwe die Wagnerei leiten. Und wenn sie nach einem Jahr keinen Mann gefunden hätte, dann würde sich schon ein Käufer finden. Für Werkstatt, Wohnhaus, Scheune und Stall gäbe es einen guten Preis. Natürlich. »Aber Verkaufen ist nicht nötig.« Er strahlte vor Wohlwollen. »Ich habe meinem verwitweten Schwager schon Bescheid gegeben, Heixerin, habe ihm auch von deiner guten Rente berichtet. Er ist Wagner in Xanten und wird zu dir passen.«
Als Wendel aufbegehrte, ihm erklärte, dass sie und die Mutter auch nach dem Jahr stark genug wären, die Werkstatt allein zu führen, hatte er die Brauen hochgezogen. »Das wird die Bürgerschaft nicht gerne sehen.«
»Unsere Gesellen sind tüchtig!«
Kalt und offen blickten die Augen des Ratsherren. »Ihr habt keinen Meistergesellen«, er putzte mit einem Handschlenker über seinen breiten Kragen, »Weiber sind für dieses Handwerk nicht geschaffen. Ich warne euch, widersetzt euch meinen Plänen nicht«, in der Tür hatte er dünn gelächelt: »Ihr braucht Freunde«, und war gegangen.
Den Finger hatte Wendel hinter ihm her gestreckt, doch nicht gewagt zu schreien. Wir sind eine angesehene Familie. Mein Großonkel hat in seinem Testament der Kirche viel gestiftet, sogar Armenessen einmal im Jahr!
Dieser Ratsherr, er war doch ein Freund des Vaters, wie oft hatten die beiden im Weinhaus während der Bürgerversammlung ein und dieselbe Meinung durchgesetzt, wie oft war er Gast hier in der Stube gewesen. »Wenn der Mann tot ist. haben Frauen keine Freunde mehr.« Die Mutter hatte nichts geantwortet.
Am nächsten Tag waren sie zu zweit wiedergekommen. »Entweder heiraten die Witwe oder die Tochter einen Wagner, oder der Betrieb wird geschlossen. Wir sind uns einig, und das ist die Ordnung. Ihr könnt Tuche weben oder Weinhandel anfangen, aber Wagenbauen ist Männersache.«
Schon am Nachmittag stand ein alter Kerl im Hof. Er sei aus Xanten, sei der Schwager des Ratsherren. Gründlich sah er sich in der Werkstatt um, nickte und bot der Mutter die Ehe an. »Trauer erst deine Zeit. Solange kann ich warten.«
Die Mutter hatte nicht abgelehnt, nichts versprochen. Als Wendel den Alten voll Zorn hinausdrängte, hatte er sie abgeschätzt, kurz den Muskel ihres Arms betastet und wieder genickt. »Du bist mir zu wild, aber zur Not, wenn die Witwe nicht will, zur Not nehm ich auch dich.« Mit sich zufrieden war er davongestelzt, hatte das Tor offen gelassen und war im lauten Gewühl des Jahrmarktes verschwunden.
Weder gestern Abend noch jetzt konnte Wendel das Gesicht des Witwers wegwischen. »Wir sind plötzlich nur Vieh«, flüsterte sie, »nur Vieh, dem jeder ins Maul schaut und das Euter befühlt.« Sie schlug die Hände flach auf den niedrigen Tisch, erschrak und strich über die Holzplatte.
Kalt stülpte sich die Wirklichkeit über ihren wehen Schmerz. Mit dem Tod des Wagenmachers hatte sich der äußere Halt gelöst, Speichen und Ring brachen, weil die Nabe des Rades zerbrochen war.
Die Mutter hob den Kopf. »Warum nimmst du nicht den Ersten Gesellen? Er rückt an die Stelle des Meisters, und alles bleibt.«
Wendel stand auf, ihre Wangen glänzten nass. »Niemals, Mutter. Selbst wenn ich ihn nehme, es ändert nichts. Wir haben keinen Meistergesellen, du hast es gehört. Nein, sie wollen uns diesen alten Bock aus Xanten aufzwingen. Der Ratsherr hat sich das gut ausgedacht. Als Heiratsmittler fällt für ihn sicher ein großer Brocken ab.«
Die Mutter löste die Enden des Schleiers und schlang sie neu. »Zum Schluss werden wir uns fügen. Das tun doch alle.«
Wendel hielt es nicht länger. »Ich gehe zum Stall. Aga muss versorgt werden.«
Hastig verließ sie die Stube und rannte über den Hof. So hilflos hockte Mutter da vor dem Tisch. Als der Vater noch lebte, war sie Fürsorge. Sie war Vertraute, gemeinsam hatten sie den sperrigen Mann geliebt. Jetzt schien alle Kraft der Mutter mit in das Grab geflossen zu sein.
»Ich füge mich nicht.« Aufmerksam wandte Aga den Kopf. »Du hörst mich – und gut, dass du mich nicht verstehst.« Der Geruch im Stall hatte sich nicht verändert.
Sie mistete gründlich, nachdem sie frische Streu aus der Scheune geholt hatte, stach sie die Gabel heftig und wieder tief in das Stroh, bevor sie es verteilte.
Die Stute schnaubte und richtete die Ohren auf. Sofort trat Wendel zur Stalltür. »Niemand ist da. Die Gesellen sind auf dem Jahrmarkt.
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