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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Mutter versprochen, bald zurück zu sein.« So schnell war die Zeit vergangen. Ich habe den Tag einfach vergessen, dachte sie, wollte noch sagen, wie gut es hier gewesen war, ließ es aber und stand nur da.
    Clarenbach führte die Schere zum Kinn. »Auch für mich wird es Zeit. Ehe ich zum Pfarrhaus hinübergehe, muss ich ihn abnehmen, sonst lacht der gute Pfarrer Beust, so wie du.« Er lächelte warm. »Gott mit dir, Wendel.«
    Johann brachte sie nach draußen. Auf dem Hof sah er zum Himmel. »Es ist dunkel. Ich begleite dich.«
    Es war erst Dämmerung, doch Wendel wollte nicht widersprechen. Er schlug nicht den direkten Weg über den Jahrmarkt ein.
    Dieses Fest der guten Bürger ertrage ich jetzt nicht mehr, und Wendel folgte ihm.
    Wie ausgetrocknet, so still war die enge Straße entlang der Mauer.
    »Adolph Clarenbach ist mein Bruder und Lehrer.« Johann schwieg und blickte vor sich hin.
    Und dein Vater, ergänzte Wendel in Gedanken, verwundert sann sie dem Wort nach. Nein, es schmerzte nicht, zum ersten Mal seit dem Tod hatte sie das Wort denken können, ohne diesen wehen Verlust zu fühlen. »Das ist der Grund.« In ihrer Aufregung ergriff sie Johanns Hand.
    Er wollte fragen, heftig schüttelte sie den Kopf. »Noch nicht.« Allein musste sie das Bild ordnen. Deshalb vertraute ich ihm gleich. Sie kehrte in den stickigen Raum zurück, sah die Augen, hörte seine Stimme. Ihm würde ich glauben, auch wenn ich seine Worte nicht verstanden hätte. Und Johann geht es wie mir. »Das ist gut.« Sie drückte seine Hand.
    Wortlos überquerten sie den schmalen Eiermarkt, das Dachtürmchen des Klosters stach in den matten Himmel. Johann wollte stehen bleiben, war unentschlossen, entschied sich doch. »Ich bekomme 40 Gulden im Jahr.«
    »Das weiß ich.« Als sie sein Gesicht sah, begriff sie und wandte sich ab. Nichts wehrte sich in ihr, ungehindert strömte das Ich-will durch alle Kammern, bis es jäh an das versiegelte Tor schlug. »Du bist Priester.«
    »Ja, ich bin’s. Doch das Gelübde ist von der Papstkirche erfunden worden. Gott verbietet mir die Ehe nicht.«
    »Johannes!«
    Hastig lief er um sie herum und fasste ihre Schultern. »Wendel, ich weiß es. Meine Lust, die Sehnsucht, meine Begierde, auch sie sind Gottes Werk, kein Gesetz darf sie verbieten.«
    »Du drehst und drehst. So, wie du es willst.« Verwirrt ließ sie es zu, dass er sie an sich zog.
    »Selbst Luther hat im Juni geheiratet!«, triumphierte er. »Unser Martin Luther! Ein Mönch heiratet eine Nonne.« Das schien eine Überschrift, er trat einen Schritt zurück und atmete tief ein. »Wendel. Die Ehe ist ein göttliches, edles Geschäft. Wer sich der Ehe schämt, schämt sich auch, dass er ein Mensch ist. Dieses ist das Wort Gottes, kraft welchem er die brünstige, natürliche Neigung zum Weib geschaffen hat. Das Wort ist Fleisch …»
    »Du predigst nur!«, unterbrach sie bekümmert. »Ich bin nicht in der Kirche.«
    Er schwieg und sah Wendel verwundert an.
    »Würde der Schulmeister auch so über die Frau und den Priester denken?«
    Leise, fast beschwörend. »Seit ich dich auf dem Markt in Wesel getroffen habe, lese ich, was Luther darüber schreibt. Tag für Tag. Er hat uns den Weg freigemacht, und überall im Land verlassen die Mönche ihre Klöster und heiraten!«
    »Nicht hier in unserer Gegend.«
    »Ach, Wendel, bald, sicher bald.« Seine Augen leuchteten trotz der Dunkelheit. Weich ging Wendel zu ihm. Das Tor war nicht verriegelt. Johann legte den Arm um sie. »Seit Adolph hier ist, frage ich ihn, und er bestätigt alles.«
    Für einen Moment lehnte sie sich an ihn. »Erst wenn ich mich vor mir selbst nicht fürchten muss, dann können die Leute reden.« Sanft schob sie ihn zurück. »Meinem Herzen geht es nicht zu schnell, Johann, nur meinem Kopf. Gib meinem Kopf ein paar Tage.«
    Er sah ihr nach, sobald sie zurückschaute, hob er die Hand.
    *

» P faffenhure.« Dicht hinter ihr, fast an ihrem Ohr. Wendel bewegte sich nicht, hielt den Blick starr auf das Rheintor gerichtet. Noch war es verschlossen, noch hockten die Wachposten im Torzimmer, sie bestimmten, wann der Tag begann, auch an diesem Märzmorgen.
    »Pfaffenhure!« Wie das Zischen einer Peitschenschnur.
    Drohend langsam nahm der Bauer vor ihr die Hacke von der Schulter, stieß den Stiel in den Boden und richtete sich wie ein Lanzenträger auf. An der jungen Frau vorbei rief er: »Halt das Maul! Sonst pflanz ich dir den Kopf in deinen eigenen Mist.«
    »Du also auch. Gehst wohl auch in

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