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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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an den Tisch. Vertraute Herzlichkeit war geboren. »Ich war gerade dabei, ihn mir ganz abzunehmen.« Seine Finger schoben Messer und Schere nebeneinander.
    Wendel sog scharf den Atem ein, mit Wucht brachen der Mönch, die Gefahr, der Anlass ihres Kommens und die eigene Verzweiflung durch die dünne Haut, und die Wunde lag wieder frei.
    Nachdem sie geendet hatte, schien keiner der Männer alarmiert, besorgt blickten beide auf die junge Frau. Clarenbach stützte die verschränkten Arme gegen die Tischkante. »Dein Leid schmerzt mich. Einmal wird es eine große Gemeinde geben, zu der alle Menschen gehören dürfen mit gleichem Recht, die Witwen und Kinder, Arm und Reich.« Seine Augen umfassten Wendel. »Meine Gewissheit befreit dich nicht von deinen Sorgen, das weiß ich. Vielleicht aber hilft dir ein wenig das Wissen um uns. Du kannst hierher kommen, um zu sprechen oder um still zu sein.«
    Wendel hörte dem Klang seiner Stimme nach, seine Worte gaben Geborgenheit, so offen war ihr Vertrauen zu diesem hageren Schulmeister, dass es sie erschreckte.
    Johann hatte die Hände gefaltet, seine Finger pressten die Handrücken. »Ich will dir beistehen, ich will es von ganzem Herzen.« Blutröte überzog sein Gesicht.
    Wendel nahm es nicht wahr. »Nein, wartet!« Sie rieb ihre Schläfen. »Wartet, es geht zu schnell«, und schloss die Augen, »ihr wollt mir helfen, doch was ist mit euch? Ihr selbst braucht Hilfe! Der Mönch sagt, dass ihr Verschwörer seid. Ich weiß nur, was in Büderich über euch geredet wird. Ihr wollt den Bischöfen und selbst dem Heiligen Vater in Rom ans Kleid. Wenn ich an diesen schmierigen Mönch denke, der an mir herumfingern darf und uns ins Kloster schicken will, so wünsche ich nur. dass es euch gelingt.« Wendel winkte ab. »Doch gegen diese Übermacht könnt ihr nichts ausrichten. Heimatlose seid ihr.«
    Clarenbach schüttelte den Kopf. »Nicht heimatlos. Sie treiben mich aus jedem Haus, und doch bleibe ich geborgen.«
    Verständnislos legte Wendel die Hände auf den Tisch.
    »Damals in Köln lernte ich einen umherirrenden Studenten kennen und brachte ihn zu den Brüdern.«
    Klopreis fuhr auf. »Bitte nicht, Adolph. Ich habe mich geändert.«
    »Ich weiß, wir beide haben uns gewandelt und endlich unter Seinem Dach Schutz gefunden.« Er schmunzelte und griff nach der Schere. »Wendel, du lachst über meine Bartreste. Das ist gut. Bei mir zu Hause, im Bergischen Land, greifen sich die Männer in den Bart, wenn sie einen Schwur leisten, so bekräftigen sie ihr Wort. Im Bart liegt die Kraft, daran habe ich als Junge fest geglaubt, und später war es ein Gedankenspiel, von dem ich mich nicht lösen mochte. Damals in Köln, Johann, du weißt es, trug ich einen wilden Bart, um hineinzugreifen, wenn es nötig war, und doch hatte ich Angst.«
    »Du bist unerschrocken. All meinen Mut verdanke ich dir!«
    »Schweig, Johannes. Ich hatte Angst, keine Furcht. Angst, weil ich nur die Richtung sah und meinen Weg nicht kannte.« Ruhig führte Clarenbach die Schere in die Kerzenflamme und schnitt den Docht.
    Wie kann er so heiter sein? Wendel war voller Unruhe.
    »Als die Pfaffen mich in Münster eingekreist hatten, versteckte ich mich nicht, sondern hielt aus, bis sie mich verjagten. Ich schor mir den Bart von den Wangen, zu mehr fehlte mir der Mut. Jetzt bin ich auch aus Wesel vertrieben worden, so wird es weitergehen, irgendwann wird man mich zwingen wollen abzuschwören, vielleicht, um mein Leben zu retten. Ich werde keinen Schwur gegen mein Gewissen und meine Überzeugung tun, werde ja oder nein sagen, wie es mein Glaube befiehlt. Er gibt mir die Kraft, wozu benötige ich noch den Bart?« Sein Schmunzeln wurde ein vergnügtes Lächeln.
    Es klingt so wahr, dass ich es glauben möchte. So sind keine Verschwörer. Doch da draußen belauern euch die Wölfe, sie werden euch zerreißen. Heilige Mutter Gottes, bitte, das darf nicht geschehen. Plötzlich fühlte Wendel Angst. »Und wenn ihr irrt, wenn das nicht der rechte Glaube ist?«
    Johann sprang auf, zog ein Buch aus der Mauernische und blätterte es Wendel vor den Augen. »Martin Luther schreibt über die Freiheit der Christenmenschen. Er weist den Weg zum wahren Glauben.«
    »Nicht er, Johann, wir gehen gemeinsam zum Wort der Heiligen Schrift zurück.« Er zeigte zum schmalen Fenster. »Allen Ballast, mit dem sich die Kirche vollfrisst, können wir getrost abschneiden.«
    Kein Licht drang mehr von außen herein. Wendel erhob sich rasch. »Ich habe der

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