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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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zuvor. Die Gemeinde in Büderich war gespalten, die wenigen Anhänger bekannten sich mutiger zu dem Kaplan, seine Gegner waren verunsichert und schwiegen. Solange der Herzog nicht strenger gegen die Unruhestifter vorging und keiner der Kirchenherren versuchte, in Büderich die alte Ordnung wiederherzustellen, wie sollten sie, die anständigen Bürger, wissen, was Recht und Glaube ist? Also schwiegen sie, auch wenn das Herz sich empörte.
    Wendel und Greet bewachten jeden Gottesdienst, kein Observant des Dorstener Klosters konnte sich unbemerkt einschleichen, sofort traten die Frauen in den Mittelgang, sangen laut, warnten so Johann vor der Gefahr, und er ließ das Predigen, feierte die Messe, wie es die römische Ordnung verlangte.
    Wir beschützen den Kampf. Greet und ich achten darauf, dass Johann nicht in Gefahr gerät. Nach der Geburt des Mädchens war eine warme Zuneigung zwischen Wendel und der Bäuerin entstanden. Greet kam, sooft es die Hofarbeit zuließ. In ihr hatte Wendel eine Vertraute gefunden, das schmerzhafte Leben in Büderich war endlich gelindert worden. »Ich trag wieder eins.« Nur der Freundin hatte Wendel das Geheimnis anvertraut.
    »Diesmal wird’s ein Junge!« Greets Lachen. »Den hol ich dir auch, Kindchen.«
    Johann sollte es erst erfahren, wenn das Kind sich in ihrem Bauch bewegte und die Hoffnung nicht mehr zu übersehen war.
    Immer wieder blickte Wendel verstohlen zu den Mönchen hinüber. Unzufriedene Gesichter. Ihr werdet auch heute nichts aufschreiben können.
    Vorn am Altar sang Johann das Ite-missa-est. Zwei der wohlgekleideten Bürgerinnen verließen hastig die Kirche. Noch ist die Messe nicht zu Ende, empörte sich Wendel. Sie verengte die Augen. Wieder zwei! Ohne aufzuschauen, huschten sie vorbei. Die nächsten drei lösten sich aus dem Kreis der Gemeinde und eilten hinaus. Von denen besucht keine unsere Bibelstunde in der Wagnerei!
    Ihr Herz schlug hart. Warum? Heute gibt es keinen Grund. Johann hat nur die Messe gefeiert. Jetzt klappten auch die Mönche ihre Bücher zu und verließen die Kirche. Verwirrt blickte Wendel die Freundin an. Greet hob die Schultern. Mein Gott, warum weiß ich nicht, was sie Vorhaben?
    Endlich war der letzte Ton verklungen, der Segen gesprochen. Träge schob sich die Gemeinde zum Ausgang. Geht doch, beeilt euch, flehte Wendel. Sie blickte zum Altar. Johann folgte den Gläubigen wie ein Hirte, er war zufrieden, und voller Ruhe gelangte er bei Wendel und Greet an.
    »Lass uns durch die Sakristei gehen, Johann. Nicht vorne hinaus. Bitte!«
    »Ich verstecke mich nicht.« Er richtete sich auf.
    »Für Mut ist keine Zeit! Da draußen geht etwas vor, ich fühle es.« Hilfe suchend fasste sie Greets Hand. »Wir haben sie beobachtet. Erst sind einige Weiber hinaus, dann gleich die beiden Mönche. Noch vor dem Schluss!«
    Johann ließ sich nicht anstecken, nicht warnen. »Ich habe die Messe gelesen, wie es alle Pfaffen am Sonntag tun. Keine Angst. Wendel, sie werden den Galgen nicht aufrichten.« Damit schritt er zum Ausgang.
    »Dieser Apostel!« Zornig drohte ihm Wendel nach. Greet zuckte die Achseln. »Wenn Männer mutig sein wollen, rennen sie stur geradeaus, Kindchen.« Wendel gelang es nicht zu lächeln, sie zog Greet weiter. »Komm, wir dürfen ihn nicht allein lassen.«
    Draußen vor dem Portal versperrten die sieben Bürgerinnen dem verblüfften Priester den Weg. Sie bildeten eine Kette, vor jeder stand ein Korb zugedeckt mit Tüchern. Wendel sah in die entschlossenen Gesichter, sah hinter den Frauen die wartenden Gaffer, ihr Blick hastete über die Köpfe und krallte sich an den stechenden Augen, den geblähten Lippen des Mönchs fest. Da wartet der Satan mit seinen Spießgesellen, sie grinsen und haben ihre Bücher aufgeschlagen.
    Wendel fand keine Zeit mehr, Johann zu warnen.
    Die feinste der Bürgerinnen warf den Kopf zurück und stemmte die Hände in die Hüften. »Kaplan, wann taufst du dein Kind?«
    »Das ist meine Sache.«
    »Soll das Kind deiner Hure in ewiger Sünde bleiben? Oder weißt du nicht mehr, wie das Taufen geht? Du Lutherteufel!« Es war das Signal. Gleichzeitig bückten sich die Frauen, rissen die Tücher von den Körben und hoben Bettpfannen und Nachtgefäße heraus.
    »Lutherteufel!« Heulend stürmten sie auf Johann zu, vergeblich streckte er ihnen die Hände entgegen, sie schütteten ihm den Inhalt über den Kopf, ins Gesicht, schrien: »Behalt deine Hure!« – »Aber tauf dein Kind!« – »Wir wollen keine Heiden in der

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