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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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an.«
    Das alte Leuchten glomm in Johann auf, er zeigte ihr die linke Faust. »Du hattest Recht, ich habe mich in Köln nicht verraten. Mein Eid war nichts wert.«
    Fest drückte er die weißen Knöchel an seine Lippen, dann öffnete er die Hand. »In ihr hielt ich die Wahrheit. Noch vor dem Verhör hatte ich es mir aufgeschrieben, und beim Schwur hielt ich den Zettel in dieser Hand. Auf ihm stand, dass ich der Ketzerei abschwöre, wenn sie gegen Gott sei. Und weil ich die Lutherei widerrufen musste, schrieb ich, dass ich von nun an nach der Lehre des Zwingli predigen werde.«
    Mein Johann, ging es Wendel durch den Kopf, und sie dehnte den Namen. Gerade warst du noch am Boden zerstört, und jetzt? »Kennt Adolph diesen Zwingli?«
    »Nicht ihn, doch seine Thesen. Wie Luther gehört er zu uns. Zwingli ist strenger, zögert nicht wie die anderen. Aus Köln habe ich eine seiner Schriften mitgebracht. Mein Blick ist geschärft, und du hast mir den Mut zurückgegeben. Adolph und die Brüder werden von mir lernen! All die Heiligenfiguren sind nur überflüssige Götzen. Sie müssen aus der Kirche verschwinden. Beim Abendmahl fressen wir kein Fleisch und saufen kein Blut. Weg mit der Kindertaufe!«
    Wendel packte seine Arme und schüttelte ihn. »Was redest du? Du willst meine Tochter nicht taufen?«
    Verwundert hielt Johann inne, atmete aus. »Lisabeth, meinst du?« Der Wortrausch war verflogen.
    »Unser Kind!« Immer noch hielt ihn Wendel fest, begriff, dass er nicht bis zu Lisel gedacht hatte. Als Johann langsam den Kopf schüttelte, ließ sie ihn los.
    »In der Heiligen Schrift steht nichts von der Kindertaufe, daran werde ich mich halten. Erst muss Lisabeth glauben, dann kann sie getauft werden.«
    »Und bis dahin? Wer beschützt sie vor dem Teufel? Nur wenn sie getauft ist, gibt Gott auf sie Acht.«
    Johann versuchte zu erklären. »Ich habe es genau gelesen. Eine Hand voll Wasser allein hilft der Seele nicht. Der Mensch muss erkennen und zur Buße bereit sein, dann erst ist die Taufe ein Zeichen.«
    Fassungslos ballte Wendel die Hände und starrte die Fäuste an. »Du schreibst es auf einen Zettel, hältst ihn fest, und jetzt glaubst du es!«
    »So einfach nicht!« Er atmete tief und trat zurück. »Wendel! Tag und Nacht denken die gelehrten Männer …«
    »Schweig! Schweig, ich flehe dich an.« Langsam sanken ihre Arme. »Du hast mir gesagt, dass du mich heiraten willst und hast es nicht getan.«
    »Noch nicht, versteh doch.«
    »Bitte sag jetzt nichts mehr, Johann. Ich habe gelernt, dass eine öffentliche Trauung uns in Büderich geschadet hätte. Also lebe ich mit dir wie jede gewöhnliche Pfaffenhure.« Ihre Augen wurden schwer. »Nun verlangst du auch, dass mein Kind nicht getauft wird, weil es dein Kampf verbietet.« Die Tränen rollten ihr über die Wangen, eine Zeit lang gab sie ihnen nach, schließlich trocknete sie die Augen. »Wohin du mich auch bringst, Johann, ich will versuchen, dich zu begreifen, den Kampf zu unterstützen. Das habe ich dir versprochen, und Adolph ist mein Zeuge. Doch wenn es sein muss, werde ich Lisabeth und alle Kinder, die wir haben werden, vor dir bewahren.«
    Sie ging zu ihm, nahm seine Hand und zog ihn weiter. Dicht vor dem Feldtor, noch zwischen den üppigen Gärten, wünschte sie, dass Adolph zurückkäme.
    *

D ie Blicke der Gemeinde richteten sich nach vorn. Neben der Stufe zum Altar atmete Johann tief, mit mächtiger Stimme begann er den Introitus, die Gläubigen stolperten ihm nach, fügten sich zaghaft, und schließlich erfüllte einträchtiger Gesang den hohen Raum der Petruskirche.
    Das Hauptportal schwang einen Spalt auf, zwei Mönche schlüpften herein und huschten gleich hinter die erste Säule. Jeder zog ein kleines, klobiges Buch aus einer verborgenen Tasche der Kutte und klappte es auf.
    Wendel stieß ihre Nachbarin an, Greet nickte, auch sie hatte die Franziskaner bemerkt. In diesen Holzbüchern gab es keine Seiten, dafür Federkiel, Tintenfass und lose Blätter.
    Ihr verfluchten Spitzel werdet keine Beweise gegen Johann sammeln, dafür sorgen wir. Langsam schoben sich Wendel und die Freundin in den Hauptgang, dort sangen sie laut und voller Inbrunst, bis Johann aufmerksam herüberblickte und den Kopf senkte.
    Seit mehr als drei Monaten versah er wieder seinen Dienst am Altar des Sebastian, nicht mehr so ungestüm und blindwütig, klar verkündete er das reine Wort der Schrift und züchtigte in seiner Predigt die Verkommenheit der Papstkirche schärfer denn je

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