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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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befreien.« Er lockte nach einer Antwort, doch beide sahen stumm an ihm vorbei. Das selbstgefällige Gesicht zerriss, beschwörend streckte er den Finger zum Himmel. »Mein Kampf ist der gerechte. Gott ist mit mir! Nicht mit euch!« Er stampfte die Zufahrt hinunter.
    Wendel und Greet warteten, bis er mit den Boten verschwunden war, hastig rissen sie den Querbalken zur Seite, stießen die Torflügel weit auf, rannten an den Männern vorbei, jede stemmte sich in die Speichen eines Rades, bis der Karren ruckte, Johann und Adolph zogen, sie schoben nach, und endlich war das Tor wieder geschlossen.
    »Du darfst nicht nach Köln!« Sie riss Johann das Schreiben aus der Hand, schleuderte es in den Schnee und zertrat die roten Siegel mit den Füßen.
    *

D ie Nacht war vorüber, ohne dass der Tag graute. Ich habe verloren, bis gestern habe ich gehofft, geredet, gestritten, jetzt ist es zu spät. Wendel stützte die Arme auf den Tisch, presste den Kopf zwischen ihre Hände. Zusammen mit Adolph und Johann hatte sie hier bei Greet, außerhalb von Büderich, übernachtet. Die beiden wollten früh aufbrechen, lange bevor das Stadttor geöffnet wurde.
    Reisefertig! Die Kerne sind herausgelesen und die aufgebrochenen Schalen zur Seite geschoben. Nichts sonst.
    Adolph und Johann hielten kleine Schüsseln, graugebranntes Steinzeug, dicht vor dem Mund, löffelten, schlürften die Brühe, die Greet für sie gewärmt hatte. Wendel mochte nichts essen, die Freundin ging vom Tisch zum Herd und wieder zum Tisch, sie wollte jetzt geschäftig sein. Niemand sprach, nur das Schnarchen der alten Bäuerin drang von der Schlafstatt her durch den Vorhang, füllte das Schweigen.
    Wendel schüttelte den Kopf in ihren Händen. Seit Wochen, bis der Schnee getaut war und der März mit den ersten Blumen kam, die Wege wieder frei waren, so lange hatte sie versucht, Johann zu überreden, nicht nach Köln zu gehen.
    »Ich werde mich bekennen!« Dagegen hatte sie viele Gründe gewusst, doch weder die Mädchen, noch der ungeborene Sohn waren ihm triftig genug.
    Wie im Rausch verkündete er: »Ich widerrufe nicht. Wir haben in Christus gewonnenes Spiel. Warum soll ich mich fürchten?«
    Damals hatte sich Wendel zum ersten Mal gewünscht, Adolph wäre nicht zurückgekommen. Durch ihn ist Johann so unerschrocken, allein könnte ich ihn festhalten. Vor zehn Tagen zog Adolph sie in die Werkstatt und schloss die Tür. »Ich gehe mit. Ich werde Johann nach Köln begleiten.«
    Fassungslos schrie Wendel auf. »Bleib! Du musst bleiben, sonst kommt er nie zurück.« Sie schleuderte dem geliebten Freund ihre Angst entgegen, beschuldigte ihn. »Was verlangst du von Johann? Du begleitest ihn nur, damit er nicht schwach wird, nicht den Kopf aus der Schlinge zieht. Wenn du ihm Kraft gibst, wird er nicht widerrufen. Du bist nicht angeklagt. Sie wollen Johann!«
    Beide Hände presste sie auf ihren Leib. »Hilf mir, Adolph. Was soll ich meinem Sohn sagen? Dein Vater war so blind von seiner Idee, so dumm, dass er singend das Blutgerüst bestieg? Sag es mir.«
    »Christus hat das Kreuz …«
    Verzweifelt stürzte Wendel zu ihm, schüttelte die Faust vor seinem Gesicht. »Er ist es nicht. Kein Christus! Auch nicht so stark wie du. Er ist mein Johann, den ich behalten will.« Sie stieß Adolph zurück, der Gedanke nahm ihr den Atem, sie flüsterte. »Und du gibst ihm nur das Geleit. Willst ihm den Weg in den Tod bereiten?«
    Lange schaute Adolph sie an. »Ich gehe mit meinem Bruder, Wendel. In aller Not werde ich dem Freund beistehen und lasse ihn nicht im Stich.«
    Müde ließ Wendel die Arme sinken. »Johann ist ein anderer Mensch. Nicht fest, ich weiß es doch. Johann liest, hört, und schon lodert sein Glaube hoch, so schnell wie eine Lust. Du bist sicher, und deine Kraft kommt von innen. Sein Glaube hat noch keine Glut.« Sie barg den Kopf an der Brust des Freundes.
    Am nächsten Tag hatten die Männer Pläne für Köln entworfen. Bevor Johann sich stellt, werden wir alle Mitbrüder benachrichtigen, Doktoren und Gelehrte, die einflussreiche Stellungen in der Stadt bekleiden. Wenn es zu einem Prozess kommt, soll er öffentlich sein. Wir werden Flugschriften verteilen. Ja, in der Straße der Drucker. Vor der Fetten Henne, gleich vor dem Dom, ist Adolph gut bekannt. Sicher erreichen wir sogar eine Disputation an der Universität.
    Nur Träume, Wendel hasste dieses Pläneschmieden.
    »Keine Angst!« Gestern hatten Johanns Augen wie im Fieber geleuchtet. »Vielleicht werden wir

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