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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen
Autoren: Tilman Röhrig
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bleich unter den gelehrten Augen, wippt das dünne Buch auf und ab, schief ist er, wie ein Baumstumpf, der jeden Moment vornüberfällt. Die herausgeputzten Weiber da im Kreis tanzen auf der Stelle, schon an der Tür nur Hände, die nicht einen Moment ruhig waren. Alle sind herzlich, liebevoll haben sie mich empfangen, doch ständig hüpft Lachen in ihren Gesichtern. Wendel sah verstohlen zur Seite, ihr Blick glitt über den Holzeimer, auf dem Wasser schwamm eine Küchenkelle, und fand Johann, der im Kreis der Frauen die Fingerspitzen unaufhörlich aneinander rieb. Was ist, wenn meine Augen wirr sehen, sie alle ruhig dastehen?
    »Knie nieder.«
    Dankbar gehorchte sie. Erst muss ich atmen können, muss begreifen. Dieser Rothmann hat hohe Absätze unter seine Stiefel genagelt, deshalb. Wendel klebte die Zunge. Vertrocknet, meine Lippen sind aufeinandergewachsen. O Herr! Vielleicht hat Johann übertrieben? Ich kenne seine rasche Begeisterung.
    »Wendel Heix, Gefährtin des ehrwürdigen Bruder Johannes, ich unterweise dich, und du sollst bekennen. Es ist dein Wille, dem Teufel, der Sünde, deinem eigenen Fleisch und Blut, der ganzen verderbten Welt zu entsagen und nach den Artikeln des Glaubens zu leben.«
    Wendel richtete den Blick auf die blanken Stiefelspitzen. O Herr, vergib mir!
    Wie ein Schwall fielen die Sätze über sie her. »Die Kindertaufe ist ein Gräuel. Weihwasser, Kerzen, Öl, alle Dinge, welche Priester gebrauchen, sind teuflisch, vom Antichrist, dem Papst, erfunden. Nie mehr sollst du eine Kirche und den Gottesdienst der Heiden besuchen, denn Lutheraner und Papisten sind Hurenböcke!«
    Schneller prasselten die Worte. In ihrer Not schrie Wendel stumm, Vater! Vater unser!, und betete hastig gegen die laute Stimme an, bewegte nicht die Lippen.
    »Die Hostie über dem Altar ist der schreckliche Baal! Keine Priester außer Christus! Maria hat Jesus nicht die menschliche Gestalt gegeben! Alle Ehen sind ungültig, müssen nach der Wiedertaufe neu geschlossen werden! Weiber sollen zu ihren Männern Herr und Gebieter sagen! Kein Ehebund mit Gottlosen! Weder Zins noch Schuld bezahlen, alle Güter gehören der Gemeinschaft!«
    Verzweifelt wehrte sich Wendel gegen das Ertrinken. Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigem, sah Adolph in der Strohhütte sterben. O Johann, zu welchem Weg zwingst du mich?
    »Ein jeder Christ soll nicht mehr zurückschauen, damit die Gnadentür nicht verschlossen wird. Selbst wenn Vater, Mutter oder Geschwister diese Lehren und das Zeichen des Bundes nicht annehmen wollen, so soll er doch nicht schwach werden und auf Gottes Gericht vertrauen. Willst du diese göttlichen Gebote halten?«
    Noch kehrte Wendel nicht zurück. Nur Deine Herrlichkeit in Ewigkeit, langsam sah sie Bernhard Rothmann in die Augen, ihre Lippen platzten auf. »Amen.«
    Das Buch unter den Arm geklemmt fasste der Gelehrte nach der Kelle, tauchte sie ein und leerte das Wasser über ihrem Kopf. »Wendel Heix, ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Er warf die Kelle zurück in den Bottich und half ihr auf, umschlang sie. das dünne Buch fiel zu Boden, drückte sie fest an sich. »Schwester.«
    Ihre Wangen mussten das harte braune Haar berühren.
    Der Kreis drehte sich, leicht hoben und setzten die Weiber ihre Füße, lachten, schneller schwangen die Röcke, weiße Schenkel, die Frauen klatschten zum Tanz.
    Endlich trat Johann zu ihr, endlich löste der untersetzte Diener Zions die Umarmung. »Du brachtest mir nur ein Weib. Ich gebe dir eine Auserwählte zurück«, und mit breitem Schmunzeln, »ein festes Weib hast du, lieber Bruder.«
    Hastig griff sie nach Johanns Arm, nur festhalten, sonst renne ich.
    Ein Kanonenschuss dröhnte. Allein Wendel fuhr zusammen.
    »Hosianna! Der Prophet spricht! Kommt! Kommt!«
    Freudig drängelten die Frauen, rissen Rothmann in ihre Mitte, hasteten nach draußen. Wendel wollte Johanns Arm nicht verlieren, lief mit ihm. Der Schuss. Im Neuen Jerusalem läuten keine Glocken.
    Vor dem hochgetürmten Berg, den zu Abfall zerbrochenen Resten der alten Kirche, lag er, das Gesicht in den Dreck gepresst. In kurzen Abständen lief ein Zittern vom verwilderten Haarschopf über den Rücken, warf die Fersen hoch, sein Zucken trieb eine rollende Woge durch die Menge – Männer, viel mehr Frauen, Kinder. Allen glimmte gleiches Licht in den Gesichtern.
    Ohne zu drängen, ohne den Durchlass zu fordern, hatte Johann sie durch die Menge geführt,
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