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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen
Autoren: Tilman Röhrig
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hielt sich die Ohren zu. »Schweig! Nur Namen, ich höre und verstehe nichts von dem, was du sagst. Gib mir Zeit.«
    Entschlossen nahm Johann ihre Hände herunter. »Lass dich von mir führen und gehorche. Widersprich nicht, das muss ich verlangen, Wendel.« Seine Augen hatten jeden Glanz verloren. »Alles, was hier geschieht, ist gut! Es ist richtig! Vergiss es nie.«
    Wendel befreite sich, in ihr stritten Zorn und Verwirrung, noch nie hatte Johann gewagt, sich so zu erheben. »Du fürchtest dich. Es gibt also doch Herren, die mächtiger sind. Das ist es, deshalb kannst du nicht ruhig stehen, du hast Angst.«
    »Nicht um mich! Vor deinen ungezügelten Worten. Keinem weltlichen Fürsten sind wir mehr Untertan. Doch Gehorsam und unbedingte Treue schulden wir der von Gott gesandten Obrigkeit.«
    »Johann! Du fürchtest dich vor deinem Propheten?«
    »Ich habe nur Angst, dass du dich und unsere Kinder in Gefahr bringst, bevor du begriffen hast, welches Glück auf uns wartet, wenn wir, nach der Vernichtung aller Gottlosen durch das Schwert, an Seiner Seite über das Weltreich herrschen.«
    Du sprichst nicht mit mir, sagst nur gelernte Sätze! Wendel spürte die Messerspitze des Hauptmanns auf ihrer Zunge, das behaarte Wangenauge wuchs. »Gib mir Zeit. Ich schließe mich hier ein, bis ich deinen Glauben verstehe.«
    Wild schüttelte Johann den Kopf. »Im Neuen Jerusalem darf keine Tür mehr verschlossen werden! Dieser Befehl gilt für jedes Haus. Die Zeit ist da. Noch vor Ostern wird Gott das Zeichen den Posaunen geben, und die Engel werden seinen Zorn auf die Welt schleudern! So hat es der Prophet geweissagt.« Feuer lebte wieder in seinem Blick. »Das Tausendjährige Reich Zion beginnt. Alle Gebote sind eingesetzt. Wer sich dagegen auflehnt, wer nur zweifelt, dem wird das Gnadentor zugeschlagen. Im Kreis der Frommen muss das Unreine ausgerottet werden.«
    »Auch Adolph? Nie wäre er einverstanden. Du müsstest ihn und seinen Glauben vernichten. Deinen einzigen Freund.«
    Johann fuhr zurück, riss in seinem Haar, stammelte: »Adolph?« Nur einen Moment irrten die Augen an Wendel vorbei, dann sah er sie verwundert an. »Adolph ist auf halbem Weg stehen geblieben.«
    Du tauschst ihn gegen diese neue Wirklichkeit? Hilflos zeigte Wendel auf die Kinder, stieß die Faust gegen ihre Brust. Kommt, kommt, ehe es zu spät ist. Ich habe den Brief nicht verstanden. Welchen Sieg will Johann mit uns feiern? Ich fürchte mich vor den Heiligen da draußen. »Was geschieht, wenn ich dir nicht folgen kann?«, flüsterte sie.
    »Du wirst dich der Herrlichkeit nicht verschließen.«
    Also tot, ich werde ausgerottet, vielleicht auch die Kinder, und er wird uns nicht bewahren. »Geh mit nach Büderich, Johann. Jetzt gleich.« Keine Bitte, nicht einmal ein Vorschlag, mit den Worten atmete Wendel ihre Hoffnung aus. »Hier ist das Herz der neuen Welt«, Johann legte seine Arme um sie.
    Ohne Erwiderung ließ es Wendel geschehen. Ich weiß es jetzt, alle Kammern stehen offen, alle Tore sind verschlossen, eure Kanonen bespucken die alte Welt.
    »Komm jetzt, Wendel. Ich führe dich nach draußen in unsere Stadt. Dein erster Weg ist nicht weit. Gleich hinter der Lambertikirche wohnt Bruder Bernd im großen Haus der Krämer. Dort warten er und alle Schwestern, die mit ihm unter einem Dach wohnen.«
    Wendel nickte stumm, ließ sich zur Tür drängen.
    »Noch ehe der Prophet uns auf den Domplatz ruft, musst du die zweite Taufe empfangen haben. Den ganzen Morgen liegt er auf dem Boden, die Eingebung des Allmächtigen schüttelt seinen Körper. Welchen Befehl er auch erhält, zu deinem Heil, deiner Sicherheit musst du vorher ein gläubiges Glied im Kreis der Auserwählten sein.«
    Die Töchter sollten hier im Gebäude oder auf der Straße nach Spielgefährten suchen. »In der Stadt Zion geht niemand verloren.«
    Mit Wucht schlug plötzlich das Geschrei, das lärmende Leben durch das Fenster herein, zerbrach den Schutz in ihr. Durch deine Worte bin ich jetzt schon verloren. Ach, Johann, allein unserer Liebe wegen bin ich gekommen. Wer bist du? Nichts von dem, was du sagst, begreife ich, nur deine Hülle kenne ich noch. Wie soll ich mich wehren, wenn alles wahr ist?
    Meine Lippen werden sich nicht auflehnen. Ich werde auf der Hut sein, auch vor dir.
    »Willst du in die Gemeinschaft der Auserwählten aufgenommen werden?«
    »Ja.« Gefasst erwartete Wendel ihre Taufe. Nur ich stehe still, ging es ihr durch den Kopf. Dieser gedrungene Bernhard Rothmann. so
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