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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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zögerst du?« Johanns Schrei schreckte Wendel auf. Er stürzte zum lodernden Berg. Ein Mann blätterte versunken in einem großen Buch. »Immer noch steckt dir der Teufel tief im Leib!« Johanns Stimme dröhnte über den Lärm. Mit beiden Händen riss er das Buch an sich, zerfetzte es und schleuderte die Stücke in die Flammen.
    Wendel sah Adolph ins Feuer stürzen. Taub waren die Glieder. Das Kind lag tot auf ihrer Brust. Mein Kopf bricht mir in die Schultern, das Gebrüll schweigt, das Bild wird angehalten. Wendel schwankte, würgte den Husten. »Ich will…« Der Satz erstarb.
    »Platz. Macht Platz für unsere Schwester.« Begeistert schaffte Divara freien Raum, bückte sich zu Wendel, verfolgte mit dem Ohr begierig die zitternden Lippen.
    »Lasst mich zu ihnen gehen.« Nur Flüstern.
    »Laut! Sprich lauter, verkünde, was der Vater dir befiehlt.« Müde schüttelte Wendel den Kopf, richtete sich auf. »Es ist nichts.« In Johanns Blick war nur Tadel. »Bitte, bring mich ins Haus.«
    Erschreckt suchte er in den Gesichtern der Prädikanten, zog beschämt seine Schultern ein. Divara klatschte in die Hände. »Der große Geist hat sie geschwächt«, und tätschelte ihren Rücken, »um seine Stimme zu ertragen, brauchst du Kraft, meine Schwester.« Sie forderte von Johann: »Leg dein Weib ins Bett«, strich fest ihre Brüste, »doch nur zu den Kindern«, und lachte.
    Vor Scham glühte Johanns Gesicht, rasch entfernte er Wendel, führte sie durch die aufgewühlte Menge.
    »Mir dreht sich der Kopf.«
    »Schweig.« Kaum hatten sie den Domplatz verlassen, als er den Griff verstärkte, hart schob er sie durch den Bogengang bis zum Hausportal. »Du wirst glauben, das schwöre ich«, und stieß sie die Stiegen hinauf.
    Vor der Tür zu ihren Räumen riss Wendel sich los. »Ich bin nicht deine Gefangene!« Der Zorn sammelte die letzte Kraft.
    »Begreif doch, Wendel«, weich klangen die Worte, »ich habe Angst um dich.«
    Aus dem Prachtzimmer tönte Kichern, helles Auflachen. Wendel drückte gegen die angelehnte Tür. Auf dem Bett hüpften die Großen, hielten sich an den Händen. Irmel lag vor einem Mann, er stupste den Finger in ihren Bauch, sie wand sich und kicherte ausgelassen.
    »Was treibst du dich …«
    Sofort verschloss Johann mit der Hand ihre Empörung. »Lieber Bruder Konrad, Gottes Friede sei mit dir.«
    Wässrige Augen, ohne Stirn, und rote Flecken um den Mund, Wendel musste sich zwingen, ihn anzusehen. Noch einmal entlockte er das Kichern, glitt vom Bett und schlenkerte die Arme. »Wir haben gespielt.«
    Freundlich streckte er Wendel die Hand zum Gruß, sein Blick glitt aus ihrem Gesicht. »Welch eine Bereicherung für dieses Haus.«
    Stumm fasste Wendel die feuchte Hand. Er tänzelte an ihr vorbei, winkte den Kindern zu und verließ den Raum.
    »Das ist der Bruder des zweiten Propheten, du musst freundlich zu ihm sein.«
    Ihre Augen flehten. Erschöpft sank Wendel auf einen Stuhl, beugte den Kopf über die Tischplatte. »Er kommt einfach herein?«
    »Im Neuen Jerusalem ist keine Tür verschlossen, weder bei Tag noch in der Nacht.« Johann setzte sich zu Irmel. »Wir leben in einer glücklichen Gemeinschaft.« Er kitzelte den Bauch seiner Tochter, bis sie hell lachte. Die beiden Großen hüpften auf dem weichen Bett und sangen.
    Wendel verbarg das Gesicht und weinte in die Hände.
    *

I m prachtvollen Bogenhaus des Bürgermeisters war die Halle geschmückt, Kerzen an den Wänden entlang, Kerzen auf dem mächtigen Rad des Eisenleuchters und über die Tafel verteilt, sie erhellten den Abend des Karsamstags, an der Glut des Kaminfeuers briet ein Schwein, sorgsam drehten zwei Mägde den Spieß, schöpften das tropfende Fett aus der Wanne, gossen es gleichmäßig über Rücken, Seite, Bauch und Rücken. Duft nach Erlesenem strömte durch den festlichen Raum.
    Kaum waren Schinken, Brot und Speck vom Gesinde aufgetragen, als sich die kostbar gekleideten Bewohner des Hauses halb von den Stühlen erhoben und den Oberkörper über die reich gedeckte Tafel beugten. Im Angesicht des Feuers begann der Hochzeitsschmaus. Hände gruben in dem frischem Brot, von rechts und links fuhren die Messer in den Schinken, schnitten, bis die Klingen sich kreuzten, gierige Finger rissen die Brocken heraus. Die würdigsten der Auserwählten stopften die Münder voll, kauten wenig, schluckten, stopften nach, und Mägde umkreisten die Gesellschaft, füllten die hohen Bierkrüge, bis Schaum über die Ränder quoll und auf der Tischplatte

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