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Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Deutschkron
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Wieder flackerte Hoffnung auf, daß nun alles gut gehen würde, ohne daß jemand hätte erklären können, warum. Doch auch dieser Hoffnungsschimmer verblaßte schnell. Alle jene Menschen, die sich nun keiner Illusion mehr hingaben über das, was ihnen bevorstand, grüßten einander mit den Worten: „Bleib übrig!“
    „Uns ist bekannt geworden, daß Sie zwei Jüdinnen versteckt halten.“ Mit diesen Worten war Rieck zur Gestapo geladen worden. Er verneinte diese Anschuldigung mit Vehemenz, die, wie er glaubhaft beweisen konnte, von seiner eifersüchtigen Ehefrau stammte. Die Gestapo entließ Rieck ohne Konsequenzen. Dennoch war klar, daß wir so schnell wie möglich aus unserem Ziegenstall zu verschwinden hatten. Man konnte nicht sicher sein, ob die Gestapo nicht doch noch Verdacht schöpfte. Wir hatten eine unruhige Nacht. Um 5 Uhr morgens verließen wir auf Strümpfen unsere Behausung. Rieck übergab uns die Schlüssel zu einer Wohnung in der Konstanzer Straße. Der Wohnungsinhaber käme nur ab und zu nach Berlin, um nach dem Rechten zu sehen, beruhigte uns Rieck. Allerdings sei auch dies nur als Provisorium zu verstehen. Noch einmal standen wir vor der Frage, wohin in dieser zerstörten Stadt, wer hat noch den Nerv, uns aufzunehmen? Die Nazis wüteten wie Wahnsinnige gegen jeden, der ihre Befehle nicht befolgte. „Ich war zu feige, mein Vaterland zu verteidigen“, stand auf einer Tafel, die an Laternenpfählen erhängte Soldaten um den Hals trugen. Man fand sie in vielen Teilen der Stadt zur Abschreckung.
    „Mischt euch unter die Flüchtlinge“, schlug Tante Lisa vor. Viele Wochen schon flohen Menschen aus den deutschen Ostgebieten vor den sowjetischen Truppen nach Westen. Da die Nazibehörden die belagerten Städte zur Flucht ihrer Einwohner erst kurz vor ihrer Eroberung durch die Russen freigaben, hatten die meisten von ihnen nur leichtes Gepäck. Während der Fahrt trauerten sie ihrem zurückgelassenen Besitz nach und erzählten, was sich Fürchterliches in den letzten Tagen in ihrer Heimatstadt zugetragen hatte. Wir waren einem solchen Flüchtlingszug zugestiegen und lauschten sehr aufmerksam ihren Berichten. Wir wollten wie sie als Flüchtlinge aus dem Osten in Berlin aufgenommen werden.
    Bei der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, die die ankommenden Flüchtlinge betreute, gaben wir Guben, Am Markt 4, als unsere Anschrift vor der Flucht an. Wir hatten lange darüber nachgedacht, denn weder unser Geburtsort noch unser letzter Wohnort durften noch für deutsche Behörden erreichbar sein, um unsere Angaben zu prüfen. Das Osthavelland sei das Aufnahmegebiet für Menschen aus der Lausitz. Man hieß uns, dort hinzufahren. Meine Mutter bestand aber auf Berlin, weil uns Verwandte hier betreuen würden. „Niemand bleibt freiwillig in Berlin“, argumentierte die Beamtin. Auf unsere Frage nach den Gründen verwies sie darauf, daß Berlin möglicherweise belagert werden könne. Meine Mutter reagierte mit perfekt gespielter Entrüstung mit den Worten: „Das würde der Führer nie zulassen!“ Die Beamtin beeilte sich, nun schleunigst die Zuzugsgenehmigung für uns zu unterzeichnen. Ihre Reaktion hätte schlimme Folgen für sie haben können. Ich wundere mich noch heute, daß ich bei der Bemerkung meiner Mutter ernst geblieben bin. Das Erlebnis reizte uns noch häufig zum Lachen. Es war ja mehr als nur ein faux pas der Beamtin. Es machte deutlich, daß wir nun unweigerlich als Sieger aus diesem Kampf ums Überleben hervorgehen würden.
    Wir, Ella Paula und Elisabeth Marie Richter, suchten uns nun ein möbliertes Zimmer. Der Vermieter im Haus Ludwigkirchstraße 6 mußte unser Anmeldeformular unterschreiben. In diesem Moment ging das Licht aus – die Elektrizitätswerke litten unter Bombenschaden. „Wie dumm“, meinte Herr Hellweg, „nun kann ich gar nicht sehen, was ich unterschreibe. Aber Polen oder Juden werden Sie ja wohl nicht sein.“
    Am 21. April konnte man die die Stadt umzingelnden Kanonen der sowjetischen Truppen hören. Ich beschwor meine Mutter, die Russen in unserem Ziegenstall und nicht in Berlin zu empfangen. Als wir am 22. April die ersten Panzerketten über den Asphalt der Hauptstraße Richtung Potsdam rattern hörten, waren wir unbeschreiblich glücklich. Ich winkte russischen Soldaten zu. Doch sehr bald mußte ich mich noch einmal verstecken. Ein russischer Offizier, dem ich klarzumachen suchte, wer ich wirklich war, schlug vor, mit mir Hochzeit zu machen. Er sagte das Wort auf

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