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Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Deutschkron
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aufzuweisen hatten, priesen sich glücklich, denn ihr Blut galt schon als gereinigt . Sie konnten dem Leben und der Karriere ihrer Nachkommen nicht mehr schaden. „Ein Schulrat kam zur Inspektion. In einer Klasse sieht er ein blondes Mädchen mutterseelenallein auf einer abgesonderten Bank. „Warum sitzt du denn so allein, mein Kind?“ , fragt er mitleidig. Das Kind antwortet schluchzend: „Wegen Omi.“
    Der 1933 eingeführte Arierparagraph wurde in die verschiedenen Gesetze aufgenommen, die den Ausschluß der Juden aus den meisten Bereichen der Gesellschaft ermöglichten. Das betraf den öffentlichen Dienst – also Beamte aller Kategorien, die freien Berufe, d. h. Beschäftigte in der Presse, der Musik, dem Theater, Schulen, Universitäten, wie aber auch Ärzte, Zahnärzte und Anwälte. „Wie geht’s? , fragt ein Jude den anderen. „Wie einem Anwalt“ , antwortet der andere. „Ich kann nicht klagen.“
    Die Schnelligkeit, mit der die Entlassungen aus dem Staatsdienst vollzogen wurden, läßt den Schluß zu, daß sie noch vor der Machtübernahme der Nazis von ihren Sympathisanten in den Ministerien vorbereitet worden waren und in den Schubladen bereitlagen.
    Zur gleichen Zeit überschlugen sich Vereine, Organisationen, Berufsgruppen darin, dem Trend zu entsprechen und sich ihrer jüdischen Mitglieder zu entledigen. Einspruch dagegen von nichtjüdischen Kollegen war selten. Der Schnitt war vollzogen, die Ausgrenzung der Juden aus der aktiven deutschen Gesellschaft perfekt. Die Interessen und Lebensbedingungen der Arier glichen in nichts mehr den an ihrer Seite lebenden Juden.
    Dieser Zustand verschärfte sich mit den Jahren. Die hysterische Propaganda gegen die Juden, denen die Nazis alle Verbrechen dieser Welt anlasteten, konnte niemandem entgehen und zeigte in einigen Kreisen der sogenannten Arier seine Wirkung. Immer kleiner wurde die Zahl derer, die den Juden zur Seite standen aus Angst um ihr Leben, aus Hilflosigkeit oder der Karriere wegen. Als sich Mißstimmung in der Bevölkerung gegen das Euthanasieprogramm regte, also der Tötung unwerten Lebens , wie die Nazis es nannten, gelang es dem Bischof Clemens Galen von Münster, die Nazis von der Aufgabe dieses Programms zu überzeugen. Feindlichen Maßnahmen Juden gegenüber reagierte das deutsche Volk nicht ähnlich empfindlich. Ich erinnere mich noch gut an die Gespräche in jüdischen Kreisen, die doch tatsächlich gehofft hatten, das Beispiel des Bischofs Galen würde Schule machen.
    Gewiß, das Leben der sogenannten Arier war enger geworden. Die Nazis hatten die Zügel angezogen, forderten unbedingten Gehorsam, Ehrerbietung, Achtung vor den Diktatoren. Und wieder war es der Witz, der einiges über den Seelenzustand der Deutschen preisgab. „Keiner soll hungern, keiner soll frieren“ , eine Parole der Nazis, die in großen Lettern in Zeitungen, Anschlagsäulen, öffentlichen Gebäuden zu lesen war. Kopfschüttelnd liest das ein Arbeiter und sagt irritiert zum anderen: „Auch das dürfen wir nicht?“
    War zu Anfang der Spaß am Wortspiel, an der Aufdeckung der Unfähigkeit der Regierenden, die Freude am Spott die Ursache für Witze gewesen, waren sie nun eher Ausdruck des Fatalismus. Das Telefon klingelt. „Hallo, ist dort Müller?“ „Nein, hier spricht Schmitz.“ „Ach, entschuldigen Sie, da hab ich falsch gewählt.“ „Aber bitte, haben wir das nicht alle?“ die Antwort.
    Die bisher erwähnten Beispiele des Flüsterwitzes im sogenannten Dritten Reich sind keine Beweise dafür, daß das deutsche Volk Gegner der Nazis war. Das Erzählen und das Weitergeben von Witzen war keine Auseinandersetzung mit dem System. Es waren Gedankenspiele, die der Staat nicht kontrollieren oder gleichschalten konnte. Das flüsternde Weitererzählen von Witzen bewies auch keine Zivilcourage, war höchstens als Surrogat zu verstehen. Für einen Augenblick war der Witz, in der Befreiung des Lachens, ein Ventil, um Dampf abzulassen.
    Der Witz, der nun unter Juden kursierte, war dem der Nichtjuden nicht mehr ähnlich. Die Jahrhunderte der Verfolgung hatten die Juden gelehrt, sich und ihr Verhalten immer wieder selbstkritisch zu prüfen. Sigmund Freud kommentierte das so: „Dieser Umstand (die Verfolgung) hat eigentümliche Früchte getragen: Kein Volk hat sich selbst so ironisiert und verulkt wie das jüdische.“ Tatsächlich verließ ihr Humor sie nie. Aus ihm schöpften sie trotz aller Widrigkeiten neuen Lebenswillen. Er half ihnen, sich Mut zu machen,

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