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Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Titel: Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Pieper
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lange leben möchte. Er sagt heute, früher, in der Zeit seines hektischen Karrierelebens, habe er keinen Blick für die Schönheiten und wirklich wertvollen Dinge des Lebens gehabt, das könne er jetzt erst sehen, wo er im Rollstuhl sitze.
    Immer wenn ich von ihm weggehe, frage ich mich, muss es erst so weit kommen, bis einem die Augen aufgehen? Dann nehme ich mir Zeit, setze mich in ein Cafe, blicke andere Menschen an und freue mich, wenn jemand zurücklächelt, oder ich gehe über die Felder spazieren und empfinde eine tiefe Dankbarkeit, dass ich gehen und die bunten Farben sehen kann, dem Zwitschern eines Vogels lauschen und den blühenden Raps riechen kann.
    Überlebende von Unglücken oder Krankheiten haben mir immer wieder erklärt, wie unwichtig etwa materielle Güter oder Statussymbole inzwischen für sie sind und wie stark der Wert der »kleinen«, immateriellen Dinge gewachsen ist. Trauernde, die einen lieben Menschen verloren haben, entwickeln nach der schweren Zeit der Verzweiflung und des Zerrissenseins eine Dankbarkeit dafür, dass sie die schönen und wertvollen Momente mit diesem Menschen hatten – und häufig auch eine gewisse Wehmut, dass sie dies zu der Zeit, als der andere noch da war, nicht genügend wertgeschätzt haben.
    Eine Krise rückt die Dimensionen neu zurecht. Wenn wir uns auch im »normalen« Alltag hin und wieder vor Augen halten, worauf es eigentlich ankommt, werden wir Dankbarkeit empfinden für all das, was wir momentan haben; wir werden Achtsamkeit entwickeln für die kleinen Dinge wie den Kaffeeduft am Morgen, die Blume am Wegrand oder das Lächeln des Nachbarn. Wir werden Achtsamkeit für uns selbst spüren, weil diese Kleinigkeiten in uns wirken, Momente genießen, in denen wir ein gutes Gespräch mit einem Freund haben, einen Spaziergang machen oder mit dem Hund herumtoben. Achtsamkeit, Wertschätzung und Dankbarkeit sind der Schlüssel dazu, unsere Probleme, die uns oft missmutig stimmen und uns die Lebensfreude rauben, zu relativieren.
    Das klappt natürlich nicht immer, aber man kann sich darin üben. Erst wenn ich mich damit beschäftige, fällt mir auf, wie viele Dinge es gibt, die man in der Hektik des Alltags nur allzu leicht übersieht. Versuchen Sie es mal! Sie werden erstaunt sein, wie viel Kraft man daraus schöpfen kann, wenn man die Gegenwart wertschätzt, den Moment genießt und dem, was um einen ist, mit Achtsamkeit begegnet.
Lehre 4
    Wer sich darin übt, achtsam im Hier und Jetzt zu leben, entdeckt den Wert der kleinen Dinge und die Kostbarkeit der Normalität. Bei plötzlicher Belastung kann diese Haltung zu einem Schutzschild werden.
    Alles hat ein Ende, auch die Krise
    Um in Krisen leichter zu bestehen, ist es hilfreich, sich vorzustellen, wie es einmal sein wird, wenn die Krise überwunden ist. Wie wäre ich, wie würde es sich anfühlen, wenn alles überstanden wäre und der ganze Druck abfallen würde? Man könnte sich einfache Fragen stellen: Wie sähe mein Gesicht aus, wenn ich dann in den Spiegel blickte? Wie würde ich atmen, wie gehen, was würde ich anziehen? Wen würde ich zuerst informieren? Was würde ich als Erstes tun? Was würde ich essen, was trinken?
    Wenn man diese einfachen Gedanken konsequent denkt und sich in sie einfühlt, merkt man schnell, wie der Körper darauf reagiert: Wir lächeln, atmen tief durch, entspannen und haben angenehme Phantasien. Insgesamt fühlen wir uns ruhiger und gelassener. Wenn wir das eine Weile aufrechterhalten, können wir sogar spüren, wie Glücksgefühle aufkommen. In der Tat beginnt der Körper schon mit der Produktion und Ausschüttung von Glückshormonen, wenn wir uns nur vorstellen, wie erleichternd es sein wird, wenn wir die Belastungen hinter uns gebracht haben. Die dadurch ausgeschütteten Endorphine wirken beruhigend und angstlösend, sorgen für eine angenehme, leicht euphorische Stimmung und erhöhen unsere Wahrnehmungsfähigkeit. Kurz: Sie versetzen uns körperlich und psychisch in den optimalen Zustand, um mit Belastungen effektiv umzugehen.
    Manche mögen nun einwenden, das sei eine gedankliche Flucht vor der Realität und reine Augenwischerei, die Probleme würden sich dadurch nicht in Luft auflösen. Aber wenn wir zum Beispiel noch einmal an die beiden Libanon-Geiseln denken, die drei Jahre lang in Dunkelhaft unter schrecklichen hygienischen Verhältnissen bei quälender Unsicherheit verbringen mussten, erkennen wir, dass solche Imaginationen in erheblichem Ausmaß dazu beigetragen haben,

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