Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)
dass die beiden Männer immer wieder von neuem die Kraft fanden, dieses Martyrium zu überstehen. Und sei es durch das Erzählen von Kochrezepten oder die Imagination, wie sie in Paris an einem Frühlingstag auf den Champs-Élysées flanierten und hübsche junge Französinnen beobachteten.
Auch Natascha Kampusch oder Ingrid Betancourt hatten keine Kenntnis darüber, dass man durch derartige Imaginationen Körper und Geist in einen Zustand versetzen kann, der die Grundlage bildet für ein erfolgreiches Verhalten in einer aussichtslosen Situation. Sie sind einfach ihren inneren Überlebensinstinkten gefolgt und haben das Richtige getan.
Wenn wir mit dem positiven Körpergefühl aus der Imagination wieder »rückwärts« in die Gegenwart gehen, sind wir bei der Suche nach Lösungen unserer aktuellen Probleme flexibler, weniger verkrampft und kreativer, und müssen uns auch nicht so anstrengen. Diesen Prozess können wir noch verstärken, indem wir jetzt schon einige von den Dingen tun, die wir uns für die Zeit nach der Krise ausgemalt haben. Wir können zum Beispiel die Musik abspielen, die wir als »Befreiungsmusik« hören würden, wenn alles vorbei wäre, ein bestimmtes Kleidungsstück anziehen, das Lieblingsgericht kochen und so weiter. Auf diese Weise werden wir schon in der Belastungssituation lockerer und stärken uns selbst durch die Orientierung auf einen positiven, erfolgreichen Ausgang.
Die Wirkung, die dadurch erzielt wird, kennt man aus dem Leistungssport: Höchstleistungen werden oft dann erbracht, wenn die Sportler locker, entspannt und mit Freude an den Start gehen – und nicht, wenn sie verbissen und mit aller Macht den Erfolg erzwingen wollen.
Außerdem ist es wichtig, Rückschläge und Niederlagen, die man erlebt, als ein Zwischenstadium zu erkennen. Sie gehören auf dem Weg der erfolgreichen Krisenbewältigung einfach dazu. Aus Fehlern können wir lernen, Rückschläge können wir für eine gestärkte Krisenkompetenz nutzen. Manche Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern sogar Kurse an mit dem Titel: »Erfolgreich scheitern – ein Training in Krisenkompetenz und Resilienz«. Sie haben erkannt, dass in vermeintlichen Rückschlägen enormes Potential steckt; nämlich bestimmte Arbeitsabläufe für die Zukunft und damit letztlich auch den Mitarbeiter selbst in seinen Fähigkeiten zu optimieren.
Lehre 5
Bessere Chancen, eine Krise zu überwinden, haben wir dann, wenn wir uns von der Hoffnung leiten lassen, dass es einen positiven Ausgang gibt. Als Leitbilder können uns dabei einige der hier kennengelernten Menschen dienen, die schwerste Katastrophen bewältigt haben. Auch wenn wir im Moment kein Licht am Ende des Tunnels sehen und nur mit Niederlagen, Ärgernissen und Verlusten konfrontiert sind, hilft der Gedanke an ein letztlich gutes Ende dabei, interne positive Kräfte zu mobilisieren. Diese können dazu beitragen, dass wir auch wirklich alles für einen positiven Ausgang tun. Den Prozess können wir weiter optimieren, wenn wir uns vorstellen, dass wir aus Niederlagen und Fehlern lernen werden – und so nicht nur die aktuelle, sondern auch nachfolgende Krisen erfolgreich hinter uns bringen werden.
Realistische Ziele entwickeln
In Krisensituationen sind viele Menschen mit ihrem Leben sehr unzufrieden. Es stört sie, dass sie so viel Zeit und Energie für die Bewältigung der Krise aufwenden müssen, die sie mental voll und ganz in Anspruch nimmt. Im Kopf sind sie permanent mit tausend Sachen beschäftigt, die mit der momentanen Krise zu tun haben, und doch ist das Nachdenken darüber oft uneffektiv, ermüdend, chaotisch und frustrierend. Sie ärgern sich darüber, dass sie ihren eigentlichen Interessen nicht genügend nachgehen und ihre tatsächlichen Ziele nicht verfolgen können. Sie halten fest an dem, wie sie sich ihr Leben vorgestellt haben – es kann nicht sein, was nicht sein darf, die Krise passt da nicht hinein. Von daher haben sie den Anspruch, alle Probleme, die mit der Krise zusammenhängen, möglichst schnell und am besten auf einen Schlag zu lösen. Damit überfordern sie sich jedoch vollkommen. In den allermeisten Fällen ist es nicht möglich, von jetzt auf gleich die Probleme aus der Welt zu schaffen. Hält man dennoch daran fest, wird man von Tag zu Tag frustrierter und verbissener und macht so nicht nur sich, sondern auch dem Umfeld das Leben unnötig schwer. Je länger und stärker man sich im Kreis dreht, umso unwahrscheinlicher ist es, beizeiten eine Lösung der Krise
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