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Überlebensübungen - Erzählung

Überlebensübungen - Erzählung

Titel: Überlebensübungen - Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Todes zu erwähnen, diese absolute Realität, als das bestialische Leiden eines gefolterten Körpers.
    In meiner Erinnerung sind die Gespräche mit »Bruno«, mit »Koba« über die Folter mit der Landschaft des Montsouris-Parks verbunden. Es ist anzunehmen, dass die Verantwortlichen der MOI  – zumindest jene, mit denen ich zu tun hatte – Verstecke in diesem Viertel besaßen. Jedenfalls wurden meine Treffen immer im Montsouris-Park vereinbart. Es war nicht unangenehm, denn zur Zeit dieser Treffen herrschte sommerliches Wetter, zwischen dem Abbruch der kurz zuvor geknüpften Kontakte zur spanischen KP und meiner Ankunft bei Frager und Jean-Marie Action.
    In meinen Erinnerungen an die MOI schien also fast immer die Sonne. Sonne und grüner Rasen, frisches Laub.
    Aber Frager hatte »Tancrède« das Wort erteilt.
    An jenem Tag erfuhr ich dieses pompöse Pseudonym. Das aber in gewisser Hinsicht gerechtfertigt war: mein »Tancrède« hielt sich tatsächlich für einen Kreuzritter!
    Da ich nicht daran zweifelte, gegebenenfalls gefoltert zu werden, ließ er mich wissen, was ich zu erwarten hatte. Gewissermaßen hielt er eine pädagogische Rede, die in erschöpfender Weise die üblichen Methoden der Gestapo aufzählte: Schlagstockeinsatz, Aufhängen an einem an den Handschellen befestigten Seil, Schlafentzug, Badewanne, Ausreißen der Fingernägel, Stromschläge, in crescendo .
    Es war eine abstrakte Rede; ziemlich erschreckend, aber abstrakt.
    So war Schlagstock in »Tancrèdes« Rede zwar ein sehr präzises Wort, aber ohne Form, ohne konsistente Existenz. Ich konnte noch nicht zwischen den verschiedenen möglichen Realitäten unterscheiden, die dieses Wort, vage, zu allgemein, bezeichnete.
    Denn es gab die Schlagstöcke der Polizei aus glattem Holz, einfache Knüppel; die Ochsenziemer; die Schlagstöcke aus Hartgummi, manchmal mit Blei gefüllt: diese wurden, wie ich später erfahren sollte, von den Unteroffizieren der SS in Buchenwald bevorzugt, die berüchtigten Gummis ; aber auch die britischen Schlagstöcke, die in Waffencontainern mit dem Fallschirm abgeworfen wurden, sehr nützliche Geräte aus mattem Stahl, die man auseinanderklappen musste, in der Stille der Nacht leicht zu handhaben, um die Wachposten der Wehrmacht niederzuschlagen, die die Schleusen des Burgund-Kanals bewachten, die wir sprengen würden; englische Schlagstöcke, von der Gestapo in den Depots der passiven Geheimarmee gefunden und gegen uns verwendet.
    Schlagstock also war im Mund von »Tancrède« in seiner erschöpfenden Aufzählung ein sowohl klares als auch undeutliches Wort gewesen: wir befanden uns noch im Bereich des objektiven Idealismus!
    Später, in Auxerre, in der Gestapo-Villa, wurden Wörter und Dinge konkreter. Sehr schnell lernte ich die materielle Realität der verschiedenen Schlagstockarten zu unterscheiden. Denn der Schmerz, den sie hervorriefen, war sehr verschieden, einzigartig. Anhand der Elle jedes
Schmerzes konnte ich ohne weiteres feststellen, mit welcher Sorte ich es zu tun hatte.
    Der trockene, stechende, aber kaum anhaltende, flüchtigere Schmerz des Holzschlagstocks ließ sich nicht mit dem dumpfen, beim Aufprall erträglicheren, aber sehr viel tieferen und dauerhafteren Schmerz des Gummiknüppels vergleichen, vor allem wenn es sich um einen einfachen bleigefüllten Ochsenziemer handelte.
    Zweifellos ist es immer besser zu wissen, woran man sich zu halten, was man zu erwarten hat. Es ist zweifellos besser zu wissen, sich keine Illusionen zu machen. Aber es löst nicht das Wesentliche, denn der Körper weiß es nicht. Der Körper kann nicht die antizipierte, die a priori -Erfahrung der Folter haben. Sogar der Körper, der Hunger, Elend gekannt hat, hat diese Erfahrung nicht, kann diese Erfahrung nicht fleischlich vorwegnehmen: die Folter ist unvorhersehbar, unvorhersagbar in ihren Auswirkungen, ihren Verheerungen, ihren Folgen für die körperliche Identität.
    Niemand kann eine mögliche Revolte seines Körpers gegen die Folter voraussehen noch sich gegen sie wappnen, die scheinheilig – bestialisch – von deiner Seele, deinem Willen, deinem Ich-Ideal die bedingungslose Kapitulation verlangt: eine schmachvolle, aber menschliche, allzu menschliche.
    Dann ist es unmenschlich, jedenfalls übermenschlich, seinen Körper zu einem endlosen Widerstand gegen das endlose Leiden zu zwingen. Seinem Körper, der sich nach nichts anderem als nach dem Leben sehnt, und sei es entwertet, elend und voll demütigender

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