Überman
mir, den dazu passenden Witz für mich zu behalten. Daniela erzählt, wie froh sie ist, dass sich ein Abend endlich mal nicht nur ums Thema Kinder dreht, schließlich sei sie ja nicht nur Mutter, sondern auch einfach noch die Daniela, die gerne reist, ins Kino geht und Zumba macht im Fitnessstudio. Dann schildert sie eine gute halbe Stunde Lea-Maries Fortschritte beim Brabbeln, Krabbeln und Furzen, dass sie eine Woche durchgeheult habe, als ihre Lieblingspuppe kaputtgegangen sei und dass Flik Streit hat mit den Nachbarn, weil das Bobbycar immer mitten auf der Straße rumstehen würde, und neulich habe er sogar im Streit gedroht, dass er irgendwann mal drüberfahren würde. Ich spüre, dass Annabelle mich anschaut, vermutlich wartet sie auf eine Art Geständnis. Ich räuspere mich und sage mit tiefer Stimme: »Ich bin schon drübergefahren.«
Annabelle reibt sich die Schläfen und fixiert einen Punkt an der Tapete. Daniela und Flik blicken mich entgeistert an.
»Du bist drübergefahren? Über das Bobbycar von unseren Nachbarn?«, fragt Daniela nach, und ich nicke. »Es stand mitten auf der Straße, und es hatte kein Licht an!«
Seltsamerweise sagt die nächste Minute keiner was, Flik findet als Erster die Worte wieder.
»Und bei dir, Simon?«, fragt Flik, »was machen die Geschäfte?«
»Keine Ahnung, da kümmert sich mein Vermögensverwalter drum«, antworte ich trocken.
»Flik hat erzählt, du hättest einen griechischen Berater«, grinst Daniela.
»Ja und?«, frage ich gereizt.
»Also ich finde das lustig!«
»So wie du spaghettifressende Italiener lustig findest, kiffende Holländer oder klauende Polen?«
Und schon wieder herrscht Ruhe am Tisch.
Annabelle rettet die Situation und hebt ihr Glas. »Es gibt Neuigkeiten«, verkündet sie stolz.
»Du trennst dich von Simon?«, fragt Flik, und alle lachen befreit auf, vielleicht kann Annabelle mir ja später erklären, was komisch dran war.
»Ich hab gekündigt!«, erklärt Annabelle. »Sie haben mich genommen in Geisenheim. Ab Frühjahr studiere ich Internationale Weinwirtschaft!«
»Das ist ja super!«, freut sich Flik.
»Gute Entscheidung«, lobt Daniela und ich sage … nichts.
»Und wie lange geht so ein Studium?«, fragt Flik neugierig.
»Drei Jahre insgesamt und drei Monate muss ich ins Ausland!«
»Und wie macht ihr das finanziell?«, fragt Daniela, »ich meine, du wirst da ja erst mal nichts verdienen, oder?«
»Simon hilft mir.«
Ich nicke tapfer und bekomme einen anerkennenden Schulterklopfer von Flik. »Ich sag ja immer, lass die Leute reden, ich finde, der Simon ist ein Klasse-Typ!«
Genervt nehme ich Fliks Hand von meiner Schulter. »Bist du jetzt plötzlich Komiker, oder was?«
Plötzlich springt Daniela auf und kiekst: »Wir haben auch Neuigkeiten!«
Dann rennt sie in die Küche und sagt, dass sie alkoholfreien Sekt besorgt habe. Ich schaue Flik mit großen Augen an. »Alkoholfreien Sekt? Warum zum Teufel sollte man so was trinken?«
»Na ja … ist doch klar, oder?«, schmunzelt er.
Ich denke angestrengt nach. Flik hilft, indem er sich zu mir dreht und spricht wie mit einem Dreijährigen.
»Okay, Simon. Denk mal nach. Dein sicherlich hervorragender Toyota-Sekt für uns, alkoholfreier Sekt für Daniela … bist du so weit noch bei mir?«
»Ja!«
»Was kann das wohl heißen? Daniela ist …?«
Ratlos starre ich Flik an. »Alkoholikerin?«
»Ach leck mich doch!«
Kopfschüttelnd steht Flik auf und nimmt Sektgläser aus einem von innen beleuchteten Regal. Er ist wirklich Beleuchtungsfetischist geworden. Kurz darauf begreife ich: Dass Daniela keinen Alkohol trinkt, bedeutet natürlich, dass ihr schon im April ein weiterer Wurm aus der Leggings rutschen könnte beim Zumba. Ich heuchle eine Riesenfreude und beglückwünsche in meinem Überschwang sogar Annabelle, dann – ich brauche dringend eine Auszeit – flüchte ich Richtung Gästeklo.
»Eine weiter!«, höre ich Flik noch sagen, aber zu spät. Als ich die Klotür aufmache und das Licht anknipse, stehe ich in einer Vorratskammer von einer solchen Größe, dass jedes Restaurant stolz darauf wäre: Gleich säckeweise stapeln sich Kartoffeln, Reis und Mehl in deckenhohen Stahlregalen, Pflanzenöl gibt es in Zehn-Liter-Kanistern, und alleine mit den Konserven würde eine komplette Familie auch mit mehr als zwei Würmern vier Wochen lang durchhalten. Mit offenem Mund gehe ich weiter und staune: Klopapier, Tampons, Windeln, Streichhölzer und Teelichter sehe ich da, aber
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