Überman
noch?
»Willst du nicht trotzdem mal den Motor abstellen, vielleicht?«
»Nein, ich lass ihn laufen, damit wir nachher schneller loskommen.«
»Wie, nachher? Schau! Da ist Flik!«
Eilig drücke ich auf die Stopptaste des Motors, und dann sehe ich Flik, wie er bräsig im weißen Türrahmen seiner babyblauen Haushälfte steht und uns zuwinkt. Er trägt ein kleinkariertes Langarmhemd mit einem grauen Pullunder drüber und eine beige Cordhose und wirkt dabei wie der naive Papa mit dem Verarscht-mich-ruhig-Gesicht aus dem LBS - TV -Spot.
»Mein Gott …!«, ächze ich, »Flik sieht aus wie ein Idiot.«
»Also wirklich, wenn du so drauf bist, können wir echt wieder fahren.«
»Nein, wir ziehen den Quark jetzt durch. Aber um neun Uhr sind wir zu Hause!«
Annabelle greift meinen Arm. »Das können wir nicht bringen!«
»Dann um zehn!«
»Simon! Sie haben sich hier ihren Traum gebaut. Wir bringen ein bisschen Zeit mit, und wir finden die Sachen toll, okay?«
Ich starre Annabelle an. »Wir finden die Sachen toll? Was denn für Sachen, Schatz?«
»Alle Sachen. Wir finden einfach alle Sachen toll heute!«
»Das scheißen-hässliche Kompost-Plastikhauben-Dings da auch?«
»Ja!«
»Und die verblödete Grinse-Sonne auf dem Garagentor?«
»Ja. Sogar die finden wir toll! Und jetzt mach die Tür auf und sag Hallo zu deinem Freund Flik und … keine Witze darüber, dass sie so weit weg wohnen, okay?«
Ich nicke, atme kurz durch, dann winke ich Flik und ziehe das Gastgeschenk aus meiner Tasche. Flik schlurft uns stolz grinsend in seinen Birkenstocks entgegen. Auch das noch.
»Na? Habt ihr’s gleich gefunden?«
»Klar!«, lache ich, »ich hätte aber auch nicht fragen wollen mit meinen paar Brocken Holländisch.«
Flik macht ein verschallertes LBS -Gesicht, Annabelle kommt ihm zu Hilfe.
»Vergiss es, Flik, er will nur witzig sein …«
»Ach so … na dann, kommt mal rein in die gute Stube!«
Erster Stopp unserer Führung ist Fliks kleine, aber süße Frau Daniela. Als sie mich sieht, begrüßt sie mich mit einem leisen »Ahh … Simon, ¿como estas?«
»Bien, bien … muy bien!«, lache ich laut und gebe Daniela zwei Küsschen auf die Wange. Sie riecht wie früher, und ich frage mich, wie lange das nun her ist, dass wir uns geküsst haben damals nach dem Spanischkurs? Sieben Jahre? Acht? Zehn? Noch während ich Daniela umarme, werde ich von Flik darauf hingewiesen, dass ich ein bisschen leiser sein soll, weil »der Wurm schon schnorchelt«. Für eine Sekunde schießen mir Bilder aus
Der Wüstenplanet
durch den Kopf, dann ahne ich, dass Flik mit dem »schnorchelnden Wurm« eigentlich »schlafender Balg« meint und dass wir das nicht unbedingt wecken sollten.
Ich überreiche die Sektflasche an Daniela und flüstere ihr »Un poco de Blubberbrause para la señora …« ins Ohr.
»Perfecto!«, lobt mich Daniela und streicht mir über den Arm, und für einen Augenblick tut es weh, die kleine Daniela aus dem Spanischkurs von damals so zu sehen, wie sie mit ihrer gelben Schürze und dem Wurm-Babyphon an Fliks Vorstadtherd gefesselt ist. Neugierig und ein bisschen verwirrt betrachtet Daniela das Flaschenetikett: »›Vielen Dank für Ihr Vertrauen!‹. Ein Jahrgangssekt von Toyota, cool, danke!«
»Eigentlich hatte ich einen … äh, Riesling für euch gekauft im Kölner Weinkeller, aber den hab ich leider im Büro vergessen.«
Ich will kurz zu Annabelle schauen, doch die ist vor Scham gerade im Laminat versunken. »Simon, ich glaub’s nicht …«
»Ich hab ihn VERGESSEN !«, tröte ich genervt und Flik zischt »Psssssst!«
»Nicht schlimm, das Wichtigste ist ja, dass ihr endlich mal hier seid bei uns. Habt ihr lange hergebraucht?«
»Ach …«, winke ich ab, »wir lieben ja Hörbücher, und wann kann man
Verblendung
,
Verdammnis
und
Vergebung
schon mal komplett durchhören?«
»Hey«, lacht Flik, »jetzt übertreibst du aber! Ich brauch zwanzig Minuten in die Stadt.«
»In welche? Amsterdam?«
Annabelle flüchtet sich ins Wohnzimmer und schaut in den beleuchteten Garten. Vielleicht hat sie ein Eichhörnchen gesehen, man weiß es nicht. Flik fragt, ob wir vielleicht die anderen Zimmer sehen wollen, bis das Essen fertig ist, und ich frage, warum das Essen nicht fertig ist, wo sie doch seit einem Monat wissen, dass wir kommen.
Annabelle kneift mich recht unfreundlich in den Arm und sagt, dass sie sogar darauf besteht, die anderen Zimmer zu sehen vor dem Essen.
Gut, denke ich mir, schauen wir uns
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