Überman
eventuell mal ein paar Minuten für mich hat. »Sprechen Sie mich einfach an in der Kaffeepause!«, antwortet er mir freundlich, aber so richtig Zeit mich zu freuen hab ich nicht, denn schon steht Phil wieder neben mir: »Lass abhauen, Simon, mir ist langweilig!«
» WAS ?«
»Ich hab alles gesehen. Cooler Bunker, aber man kann hier nicht drehen. Is ’ne Studio-Sache.«
»Aber ICH finde es jetzt interessant!«
»Dann komm doch nächste Woche wieder, ich muss jetzt in die Reha!«
Zähneknirschend folge ich Phil die Wendeltreppe nach oben, wo ich meine Jacke unauffällig auf ein altes Fass lege. Wir passieren die Entgiftungsstation und steigen wieder hinunter zur Doppelgarage und dem Parkplatz. Als Phil sich endlich auf den Beifahrersitz gewuchtet hat, stöhne ich auf und haue mir mit der Hand an die Stirn.
»Was ist denn?«
»Jacke vergessen!«
Ich rase die Treppen zum Bunker hoch und an der Entgiftungsstation vorbei. Dann die Wendeltreppe runter, immer den Stimmen nach und dem Kaffeegeruch. Unten angekommen sehe ich, dass die drei Bunker-Gruppen bereits bei Keks und Kaffee sitzen, und auch Versch entdecke ich: Er sitzt mit zwei weiteren Gelbjacken an einem der Tische. Eilig schenke ich mir einen Kaffee ein und frage, ob ich mich dazusetzen darf. Ich darf, auch wenn sich die Begeisterung in Grenzen hält.
»Hab meinen Kumpel zum Auto bringen müssen«, beginne ich und nehme einen Schluck Kaffee, »war ihm dann doch zu anstrengend.«
»So so«, sagt der Bunkerbesitzer nicht ohne Desinteresse.
»Sie haben da ja wirklich einen Eins-A-Bunker«, beginne ich, weiter komme ich nicht.
»Sparen Sie sich die Zeit«, sagt Versch und nimmt sich einen Spritzgebäck-Keks, »wir vermieten den Bunker nicht. Das war doch Ihre Frage, oder?«
Gelächter am Tisch. »Fragen denn so viele?«, will ich wissen. Der jüngere Guide grinst: »Also, Sie waren der Vierte heute und … das nur bei mir. Sag, Papa, wie viele waren es bei dir heute?«
»So um die zehn.«
»Bei mir auch!«, ergänzt ein schmächtiger junger Mann mit kantigem Gesicht und Stoppelglatze, der ebenfalls zum Bunkerteam zu gehören scheint.
»Sie schätzen mich völlig falsch ein«, erwidere ich, »ich bin keiner von den Maya-Kalender-Schissern, ich bin Geschäftsmann!«
»Das sagen sie alle«, seufzt Versch, und alle am Tisch grinsen wissend.
»Wenn so viele danach fragen«, wende ich ein, »warum lassen Sie sich so ein Geschäft entgehen? 300 mal 2500 Euro für ein paar Tage, da kommt doch was zusammen.«
Die drei tauschen Blicke aus, und offenbar werde ich als diskussionswürdig genug eingestuft. »Der Bunker ist nicht das Problem«, erklärt Versch, »das Problem sind die Menschen.«
»Verstehe ich nicht.«
»Es gab in den Sechzigern mal einen Belegungsversuch in einem Dortmunder Bunker, der war ungefähr so groß wie dieser hier. Die Leute haben freiwillig mitgemacht, sie konnten jederzeit gehen, und am Ende hätte es doch fast Mord und Totschlag gegeben. Man kriegt so viele Leute nicht in den Griff. Schon bei den Übungen früher gab es Probleme, und das waren Beamte, die kein Problem hatten mit Hierarchien und Befehlen. Jetzt stellen Sie sich mal ein paar hundert panische Verrückte vor auf vierhundert Quadratmetern! Also WENN am 21 . 12 . irgendwo die Welt untergeht, dann auf jeden Fall hier.«
»Und draußen nicht?«
»Sagen wir mal so: Wenn zu viele das Gleiche glauben, kann es schon brenzlig werden. Und zurzeit glauben ziemlich viele Menschen ziemlich viel Unsinn.«
»An den Weltuntergang zum Beispiel?«
»Zum Beispiel.«
»Aber die Welt geht nicht unter!«
»Natürlich nicht. Aber wenn nur ein kleiner Teil der Leute glaubt, dass es einen Magnetsturm gibt, eine Polumkehr, einen Eurocrash oder einen Meteoriteneinschlag, dann kriegen auch Sie Probleme!«
»Warum das denn?«
»Ganz einfach, weil schon immer wenige Leute genügt haben, um die Mehrheit ins Chaos zu stürzen.«
»So wie Jürgen Trittin ein ganzes Land ins Chaos gestürzt hat mit seinem Pfandsystem? Das Präsidium den 1 . FC Köln? Und Wulf Schmiese das ZDF -
Morgenmagazin
?«
»Ungefähr so«, lacht Versch, wird dann aber wieder ernst. »Die Sache ist ja eigentlich altbekannt: Wenn nur ein kleiner Teil der Leute morgen sein ganzes Geld von der Bank abhebt, kriegen auch Sie keines mehr. Wenn nur ein kleiner Teil der Leute glaubt, er bräuchte statt einer Kiste Mineralwasser zehn Kisten, dann werden Sie auch keines mehr kriegen, das Gleiche gilt für Benzin,
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