Überman
wach. Damit ich es auch bleibe, fahre ich das Fenster nach unten. Die kalte Winterluft scheuert mir eine. Tut trotzdem gut. Schön kalt! Und Radio an am besten auch noch. Auf volle Lautstärke am allerbesten, ja volle Lautstärke, das de Beste!
Statt wummernden Hiphop höre ich einen faden Nachrichtensprecher, der erzählt, dass die Bande, die zu den Olympischen Spielen nicht existierende Ferienwohnungen vermietet hat, heute vor Gericht freigesprochen wurde in London. Leute! Das ist ja fast noch besser als die Info, dass zwei Drittel aller Rinder weltweit in einer Nord-Süd-Achse stehen. Langweilt jemand anderen! Ich schalte das Radio aus und fahr das Fenster wieder hoch. Welche Zyklopen stellen denn da die Nachrichten zusammen?
Ich gehe vom Gas. Halte die Luft an. Schaue in den Dachhimmel. GENIALE ZYKLOPEN stellen die Nachrichten zusammen! Es wurden NICHT EXISTIERENDE FERIENWOHNUNGEN vermietet und die Bande ist FREIGESPROCHEN worden?! Hastig scrolle ich mich bis zu Ditters’ Nummer auf meinem Handy. Wenn er jetzt DIE Idee auch scheiße findet, dann übernehme ich sein Outing höchstpersönlich.
Grauzone
Ditters ist sauer wegen meiner Aufzug-Ritzerei. In einem braunen Karohemd läuft er in seinem schwulen Plastikbüro auf und ab, fuhrwerkt mit seiner Hobbit-Brille in der Luft herum und beschimpft mich. »Nur für den Fall, dass du es immer noch nicht checkst, Simon: So was geht nicht!«
»Aber es hätte jeder gemeint sein können mit schwuler Brillenhobbit.«
» NICHT mit einem Pfeil auf unser Kanzleischild!«
»Stimmt. Das grenzt es in der Tat ein wenig ein.«
Verärgert setzt Ditters sich auf seine Plastiktischkante, die ihn ohne Probleme hält, und mustert mich. Ob er was merkt von den Brainbooster-Tabletten? Ob ich irgendwie anders bin? Ich denke nicht, denn wenn ICH nichts merke, wie soll ER was merken. Ein bisschen aufmerksamer bin ich vielleicht, vielleicht aber auch nicht. In jedem Fall bin ich nicht irgendwie drauf oder so was, und hätte ich nichts genommen, es wäre vermutlich das Gleiche.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Simon? Du bist so … anders!«
Also doch! So unschuldig wie möglich schaue ich zu ihm hoch. »Ich bin anders? Wie bin ich denn anders?«
»Ich weiß nich, irgendwie anders halt, ist auch egal, kommen wir mal zu Jamie Oliver.«
»Ich bin wegen was anderem hier eigentlich.«
»Können wir ja gleich machen. Also, ich hab mich mal mit einem Kollegen besprochen. Wenn du selbst ein Kochbuch schreiben würdest, dann bräuchten wir nicht die Buchhandlung verklagen, sondern könnten wettbewerbsrechtlich direkt gegen Oliver vorgehen, denn er wäre dann ja dein direkter Mitbewerber.«
»Klingt schlüssig. Und ich klage dann auf …?«
»… Unterlassung der Verbreitung des Buches. Streitwert wären dann auch keine sieben Euro, sondern –«
»Sondern?«
»Eine halbe Million.«
»Wo ist der Haken?«
»Wir brauchen ein veröffentlichtes Kochbuch von dir.«
Warum wollen denn plötzlich alle ein Kochbuch von mir? Parisi, Ditters …
»Kriegst du das hin, Simon?«
»Natürlich nicht!«
»Schade. Denn ohne Kochbuch bist du kein Mitbewerber. Und wenn du kein Mitbewerber bist, können wir nicht klagen. Außer gegen die Mayersche.«
»In dem Fall sollten wir das hintenanstellen, weil ich hier nämlich eine Geschichte habe, wo uns jede Sekunde tausend Euro unter der Sacknaht vorbeirauschen und sodann am Arsch verpuffen!«
Leidend massiert sich Ditters die Schläfen mit den Fingern. »Simon?«
»Ich dachte, ich drücke es so aus, dass du es dir bildhafter vorstellen kannst.«
»Ich hätte auch ohne Sacknaht verstanden, dass die Zeit drängt. Wie geht denn die Idee? Obwohl, lass mich kurz nachdenken, ob ich sie wirklich –«
»Ich will Bunkerplätze vermieten für den Weltuntergang am 21 . 12 .«
Ditters setzt sich hinter seinen Plastikaltar und schiebt einen Packen Dokumente zur Seite.
»Bunkerplätze, die es gar nicht gibt«, ergänze ich und erzähle von der ›Angst der Anderen‹ und dem Bunker in der Eifel, den die Betreiber nicht vermieten wollen, und der Radiomeldung mit den Olympia-Ferienwohnungen.
»Du kannst nichts vermieten, was es nicht gibt.«
»Haben die in London doch auch gemacht! Mann! Du gibst schon wieder auf, Lars!«
»Gar nicht. Gib mir –«
»Nein. Weil du’s nicht begreifst. Ich spreche von einer Webseite, die Bunkerplätze anbietet in einem riesigen Gemeinschaftsbunker, ABER mit allem erdenklichen Luxus. Man hat sein eigenes Zimmer, es gibt
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